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134 - Die Entscheidung des Generals

134 - Die Entscheidung des Generals

Titel: 134 - Die Entscheidung des Generals
Autoren: Bernd Frenz
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das höchste politische Amt im Regierungsbunker übernommen hatte, passte genau ins Schema. Er hatte seinen Vorgänger, Victor Hymes, eigenhändig ermordet und es anschließend wie Suizid aussehen lassen. Nun gut, gesichert war diese Erkenntnis nicht. Aber alles sprach dafür; auch die Art und Weise, wie sich wichtige Beweise schnell und gründlich in Luft aufgelöst hatten.
    Im Weltrat-Bunker ahnte garantiert niemand etwas von der Wahrheit, und so weit es nach Crow ging, würde das auch so bleiben.
    »Sie irren sich, General«, antwortete Aiko kühl. »Diese Frequenz dient dazu, ihr kleines schmutziges Geheimnis zu wahren, wann immer ich mit ihnen sprechen möchte. Und zu nichts anderem, ist das klar?«
    Die kantige Miene des Kahlkopfs verhärtete sich, bis jede einzelne Falte wie mit dem Messer geschnitzt hervorsprang.
    Arthur Crow hasste es, wenn ihm jemand widersprach, das konnte man deutlich auf seinem Gesicht ablesen.
    »Und?« Er konnte gar nicht anders, er musste seinen schroffen Ton beibehalten, um Dampf abzulassen. »Was liegt an?«
    Aiko verzögerte die Antwort für einige Sekunden, um den Kerl ein wenig schmoren zu lassen, »General Fudoh hat sich bei uns gemeldet«, erklärte er schließlich. »Vor den Toren El’ays sammeln sich fremde Barbarenhorden, und er vermutet – aus gutem Grund, denke ich –, dass der Weltrat dahinter stecken könnte.«
    »Unsinn!« Crow schnaufte verächtlich. »Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Daa’muren das Fell über die Ohren zu ziehen. Für irgendwelche Sperenzchen mit den Japsen fehlt uns da die Zeit.«
    »Es gibt also keinen Feldzug der Ostmänner?«, fragte Aiko lauernd.
    Der General war ein Musterbeispiel an Beherrschung, der sich jederzeit gut im Griff hatte. Auch jetzt behielt sein Gesicht die ausdruckslose Fassade zu beinahe einhundert Prozent bei.
    Nur ein kurzes Zucken über seinem linken Mundwinkel verriet einen Anflug von Nervosität. Einem anderen Beobachter wäre die winzige Regung vielleicht gar nicht aufgefallen, aber Aikos elektronisch aufgewerteten Sehnerven entging nichts.
    »Keine Ahnung, worauf Sie hinaus wollen, Tsuyoshi«, bequemte sich Crow zu einer Antwort. »Unsere Hilfstruppen kennen derzeit nur einen Feind, und dessen Hauptquartier liegt im Kratersee.«
    »Freut mich zu hören.« Aiko formte seine Lippen bewusst zu einem falschen Lächeln. »Dann stört es sie sicher auch nicht, wenn ich mich in El’ay umsehe, um mir einen eigenen Eindruck von der dortigen Lage zu verschaffen?«
    »Warum sollte mich das auch nur im Geringsten interessieren?« Crows Antwort kam ein wenig zu schnell und zu laut, um echt zu sein. »Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich um Fudohs Probleme zu kümmern. Wahrscheinlich ist der Kerl selbst Schuld daran. Hat sicher versucht, sein Territorium auszuweiten, und ist dabei mit den Einheimischen aneinander geraten. Und jetzt, wo ihm die Scheiße bis zum Hals steht, zeigt er mit dem Finger auf mich. Ist ja auch für euch gelbe Brüder am einfachsten, alles dem bösen Weltrat in die Schuhe zu schieben.«
    Aiko verzog das Gesicht. Nicht wegen Crows hochtrabendem Gerede, sondern weil unter seiner Schädeldecke ein jäher Schmerz explodierte. Sofort wanderte seine Hand, wenn auch unbewusst, zu der Tablettenröhre in der rechten Beintasche. Sie enthielt reine Placebos ohne jeden Wirkstoff. Der war auch überflüssig; seine Kopfschmerzen existierten nur virtuell. Sie gehörten zu einer Programmroutine, die ihm Anpassungsschmerzen zwischen biologischem Hirn und künstlichen Implantaten vorgaukeln sollte.
    Eine Idee seiner Mutter, die ihn genau vor den nagenden Selbstzweifehl bewahren wollte, die ihn quälten, seit er um das wahre Ausmaß seiner Operation wusste. Bisher hatte er noch niemandem erzählt, dass er die Wahrheit kannte, denn die eingespeicherten Gehirnwellenmuster beinhalteten auch seine Liebe zu Honeybutt. Und nichts fürchtete er mehr, als dass sich die junge Rebellin von ihm abwenden könnte, sobald sie erfuhr, dass er nur noch ein kybernetisches System in menschlicher Hülle war.
    »Stellen Sie sich bloß nicht so an, weil ich gelbe Brüder gesagt habe«, unterbrach Crow seine Gedanken. »Ich wollte nur unterstreichen, dass zwischen Fudoh und Ihnen eine enge Beziehung besteht.«
    Ein Vortrag über politisch korrekte Ausdrucksweise war derzeit das Letzte, was Aiko vorschwebte. Verzweifelt versuchte er die Kopfschmerzen zu ignorieren, indem er sich vor Augen hielt, dass sie überhaupt nicht existierten.
    Netter
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