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134 - Die Entscheidung des Generals

134 - Die Entscheidung des Generals

Titel: 134 - Die Entscheidung des Generals
Autoren: Bernd Frenz
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quälten ihn die großen Werte, die dort drüben in Rauch aufgingen.
    Immerhin hatte es Jahre gedauert, eine Flotte dieser Größenordnung aufzubauen. Vielleicht war es aber auch nur, weil er beim Anblick dieser Zerstörung zum ersten Mal begriff, was General Crows Entscheidung wirklich bedeutete.
    Es würde Blut fließen, so viel stand fest.
    Sehr viel Blut.
    Das Blut der Ostmänner.
    Obwohl es nur mäßig intelligente Mutanten waren, die er in den Kampf führen sollte – allesamt abgrundtief hässliche, mit offenen Geschwüren übersäte Fratzen – so waren es doch seine Krieger, die ihm treu dienten und wie einen Halbgott verehrten.
    Es tat weh, an das zu denken, was ihnen in den nächsten Tagen bevor stand.
    Fast so weh, wie die Dampfer brennen zu sehen.
    Da gingen riesige Werte in Flammen auf, über die Tenger noch vor wenigen Stunden befohlen, für die er Verantwortung getragen hatte. Sie zu verlieren bedeutete auch einen Verlust an Macht, eine Zurückstufung. Wenn nicht im Rang, so doch in der Bedeutung.
    Als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, erkannte der Captain endlich die Ursache seines Unbehagens. Natürlich!
    Ihn plagten Zukunftsängste! Seine Sorge galt den Auswirkungen, die General Crows Pläne auf sein persönliches Schicksal nehmen würden.
    »Looad Tenger?«, riss ihn Bugaluu aus den Gedanken.
    »Wolld iar jets szu d’n Kriigan sprechn?«
    Dem Gesicht des Kriegshäuptlings waren die mongolischen Vorfahren deutlich anzusehen. Seine mandelförmig zulaufenden Augenlider überdeckten zwei wache braune Augen, die von guter Auffassungsgabe zeugten. Eine Handvoll Pockennarben entstellten seine Wangen und das fein geschwungene Kinn. Das war schon fast das Schlimmste. Gut, er besaß natürlich auch keine Nase, sondern nur zwei offene, mit verkrustetem Schleim besetzte Luftlöcher, und da, wo eigentlich die Ohrmuscheln sitzen sollten, wucherten rot angeschwollene Zellklumpen, aber ansonsten sah er wirklich beinahe menschlich aus.
    Was sich von der überwiegenden Zahl der Ostmänner nur bedingt sagen ließ.
    Fehlende Lippen, zugewucherte Augenlider, angefaulte Finger oder Zehen – all das gehörte zum normalen Erscheinungsbild. Was auf den ersten Blick nach Symptomen einer schweren Krankheit aussah, waren in Wirklichkeit Auswirkungen der genetischen Eingriffe, die sie stärker, zäher und aggressiver als normale Menschen machten.
    Captain Tenger fühlte keine Reue wegen der mutwillig herbei geführten Mutationen. Er wusste, dass harte Maßnahmen notwendig waren, um das Überleben des Weltrats zu gewährleisten.
    Angesichts des schweren Ganges, der seinen Ostmännern bevorstand, schwoll der Knoten in seinen Gedärmen weiter an.
    »Ist gut, Bugaluu. Ich komme gleich.«
    Tenger sah ein letztes Mal zu den lodernden Schiffen.
    Die brennbaren Bereiche der Oberdecks zerfielen langsam zu Asche. Nur noch die stählernen Schornsteine ragten in die Höhe, umgeben von Eisenplatten, deren stützende Konstruktionen nach und nach in Rauch aufgingen.
    Vorne, am Flagschiff, brach gerade eine der Panzerungen ab. Rot glühend rutschte sie ins flache Wasser, das sich in eine zischende Dampfsäule verwandelte, bis nachströmende Fluten für ausreichend Kühlung sorgten.
    Gleißende Funken stoben auf, dort wo eigentlich die Bordwand hingehörte. Nur wenige Meter entfernt krachte eine weitere Platte herab, die einmal die Aufbauten des Vorderdecks geschützt hatte. Haltlos rauschte der schwere Stahl durchs brennende Deck, ließ sich auch eine Etage tiefer nicht aufhalten und durchschlug den Rumpf auf Höhe des Kiels.
    Der Dampfer begann augenblicklich zu sinken.
    Die intakten Schaufelblätter unter der Meereslinie zerbrachen, als sie auf Grund stießen. Von Feuer und Wasser gleichermaßen bedrängt, kippte das Schiff zur Seite. Nur noch ein qualmendes, rußgeschwärztes Gerippe, das weiter vor sich hinschwelte, war sein Schicksal endgültig besiegelt.
    Captain Tenger wandte sich abrupt ab.
    Der heranwehende Rauch trieb ihm Tränen in die Augen.
    Göttliche Boten weinen nicht, deshalb wischte er sich verstohlen übers Gesicht und eilte dem Holzpodest entgegen, das die Ostmänner auf seinen Befehl hin errichtet hatten. Die obere Plattform bestand aus einem der primitiven Flöße, die sie hinter die Dampfer gehängt hatten, um die Kapazität der Truppentransporte zu steigern.
    Hunderte von Kriegern hatten zwei Tage lang darauf ausgeharrt, dem schneidenden Wind und den Wellen zum Trotz. Genügsam, leidensfähig und ausdauernd
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