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1315 - Das Lied von Blut und Tod

1315 - Das Lied von Blut und Tod

Titel: 1315 - Das Lied von Blut und Tod
Autoren: Jason Dark
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hatte schon eine gewisse Routine. Der Rest war für sie ein Kinderspiel.
    Neben dem Sarg blieb sie stehen.
    Die Luft in der Kapelle konnte man nicht als frisch bezeichnen. Es roch nach den verbrannten Dochten und auch nach Wachs.
    Das lenkte Mona nur für kurze Zeit ab. Etwas anderes erschien ihr wichtiger.
    In dieser Kapelle stimmte etwas nicht!
    Sie war nicht mehr wie sonst, obwohl sie sich kaum verändert hatte. Genau noch vier Kerzenstummel gaben ihr Licht ab. Es reichte soeben aus, um sie die erste Veränderung erkennen zu lassen.
    Der zweite kleine Sarg stand nicht weit von ihrem entfernt. Sie brauchte sich nicht mal anzustrengen, um einen Blick hineinzuwerfen. Auch im miesen Licht sah sie, dass er leer war.
    Im ersten Augenblick verschlug es ihr die Sprache. Sie war erstaunt, dass Vanessa den Schlafplatz schon verlassen hatte und ebenso die Kapelle.
    Auch dafür musste es Gründe geben, die Mona im Moment nicht klar waren. Plötzlich hörte sie das Geräusch.
    Ein Stöhnen? Ein Schmatzen? Oder beides?
    Es gefiel ihr nicht. Sie bekam eine Gänsehaut. Dann bewegte sie sehr langsam den Kopf und schaute zu dem Sarg hin, den sich ihr Bruder als Schlafstätte ausgesucht hatte.
    Er lag noch immer dort. Aber er war wach geworden, sonst hätte er das Geräusch nicht abgegeben.
    »Mike…?«, rief sie halblaut.
    Keine Antwort.
    »He, Mike, was ist los? Du bist doch wach, verdammt! Sag mal was zu mir.«
    Auch jetzt dachte Mike nicht daran, ein Wort zu reden. Seine Schwester empfand das als ungewöhnlich, denn als so schweigsam kannte sie ihren Bruder nicht.
    Mona traute sich nicht, ein drittes Mal zu fragen. Ihr wurde mehr als unwohl. Sie stand auf der Stelle und wirkte dabei wie eine Person, die jeden Augenblick starten wollte.
    Das tat sie nicht…
    Doch sie hörte etwas. Aus dem Sarg drang ein tiefes, halblautes Stöhnen, das so gar nicht zu Mike passte. Okay, er stöhnte manchmal, doch nicht in dieser Tonart.
    Sie konnte sich sogar vorstellen, dass es sich nicht um ihren Bruder handelte und der Sarg von einer anderen Person besetzt worden war. Eigentlich unmöglich, aber sie musste auch in eine andere Richtung denken. Was sie trieben, war ebenfalls nicht normal, und da konnte sich schon etwas anderes abgespielt haben.
    Noch mal rief sie den Namen ihres Bruders. Und doch war sie nicht zufrieden, als sie eine Antwort hörte. Wieder war es nur dieses verdammte Stöhnen, und das konnte es doch nicht sein. Der musste mal normal werden. So hatte er sich noch nie verhalten.
    Sie traute sich nicht in die Nähe des Sargs. Sie hielt Distanz. Etwas riet ihr, auf der Stelle stehen zu bleiben und erst mal abzuwarten. In diesen Momenten, in denen sich Mona nicht nur mehr mit sich selbst beschäftigte, wog alles doppelt so schwer. Das Verschwinden der Freundin Vanessa, und nun kam noch das seltsame Verhalten ihres Bruders hinzu.
    Was war passiert, als sie geschlafen hatte?
    Mona konnte es nicht mal erraten. Der innere Ruck, den sie sich gab, trieb sie zunächst einen Schritt nach vorn. Allerdings war er noch recht verhalten. Sie stoppte auch wieder und wartete darauf, dass sich das Geräusch wiederholte.
    Damit hatte sie kein Glück. Dafür hörte sie etwas anderes in der Stille. Sie identifizierte es als Schaben oder Kratzen, und wieder drang es aus dem Innern des Steinsargs.
    Mike bewegte sich dort. Er schien in Schwierigkeiten zu stecken.
    Es war ihm kaum möglich, aus eigener Kraft die verdammte Totenkiste zu verlassen. Bei Mona war die Hilfsbereitschaft stärker als die Angst. Sie musste etwas unternehmen. Wie sich ihr Bruder verhielt, das war nicht mehr zum Aushalten.
    Mona lief endgültig zum Sarg. Obwohl die Distanz nur kurz war, kam sie ihr länger vor. Auch deshalb, weil etwas passierte, denn sie entdeckte plötzlich die Hände ihres Bruders, die sich um den Sargrand geschoben hatten.
    Er wollte raus.
    Sein Gesicht erschien.
    Mona erreichte den Sarg. Sie wollte etwas sagen, doch da lösten sich ihre Worte auf wie Rauch im Wind. Für einen winzigen Augenblick nur hatte sie etwas im Gesicht ihres Bruders entdeckt. Dann löste sich eine Hand vom Sargrand, wurde zur Faust, und die huschte genau auf ihr Gesicht zu.
    Am Kinn und an der Unterlippe wurde sie getroffen. Der Schlag war nicht mal zu heftig geführt worden, doch seine Wirkung verfehlte er nicht. Mona geriet ins Taumeln, und hinzu kam auch noch die Überraschung. Sie stolperte über die eigenen Füße und fiel lang auf den Rücken, wobei sie mit dem Hinterkopf auf den
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