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1315 - Das Lied von Blut und Tod

1315 - Das Lied von Blut und Tod

Titel: 1315 - Das Lied von Blut und Tod
Autoren: Jason Dark
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sollte, griff sie zu ihrer Geige. Diesmal hockte sie nicht auf einem Sarg. Sie nahm auf einem der Polster Platz, strich einmal kurz mit dem Bogen über die Saiten und begann ihr Spiel.
    Es sollte ihr Mut machen und Kraft geben. Sie hielt die Augen halb geschlossen. Sie war tief in ihr Spiel versunken. Sie wusste auch, was sie spielen wollte. Die Variation eines alten irischen und auch sehr traurigen Volkslieds.
    Sie schaffte es nicht richtig. Das Spiel war zu unkonzentriert. Sie verlor die Übersicht. Sie produzierte Töne, die sie nicht kannte.
    Manchmal sehr schrill, disharmonisch. Die normale Melodie wurde regelrecht zerfetzt. Das hatte dieses wunderschöne alte Lied nun wirklich nicht verdient. Es kam wie es kommen musste. Vanessa ließ Bogen und Geige sinken und sank selbst auf dem weichen Sitz zusammen.
    Es klappte nicht. Gar nichts klappte mehr. Sie konnte die schrecklichen Ereignisse einfach nicht vergessen.
    Schwer waren ihre Arme geworden. In den Beinen spürte sie das gleiche Gefühl. Es war alles so anders mit ihr geworden. So träge fühlte sie sich.
    Wissen ist Macht, heißt es. Das stimmte bei ihr leider nicht. Sie besaß zwar das Wissen, doch in ihm lagerte auch die Furcht, die es mitgebracht hatte.
    Was tun?
    Dass sie vor dem Telefon stand, hatte sie kaum mitbekommen.
    Jetzt schaute sie den schwarzen Apparat an, und ihr Kopf war leer.
    Wen anrufen?
    Sie kannte Namen, aber nur wenige Telefonnummern. Hinzu kam noch, dass ihr kaum jemand geglaubt hätte. Den anderen hätte es sogar Spaß gemacht. Echte Vampire zwischen ihnen.
    »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, schrie sie. »Was soll ich denn tun, verdammt?«
    Wer konnte ihr helfen?
    Keine Polizei. Die hatten sowieso etwas gegen die Schwarzen. Sie konnte sich leicht ausmalen, was die Polizisten sagen würden, wenn sie plötzlich in einer Wache erschien. Man würde sie wegschicken oder festhalten.
    Das war auch kein Weg.
    Dann musste sie eben den nehmen, den sie von Beginn an in ihrem Kopf gehabt hatte. Selbst hingehen und mit allen Mitteln versuchen, die Gäste dort davon zu überzeugen, in welch einer großen Gefahr sie sich befanden. Dass Mike und Mona, wenn sie kamen, nicht mehr diejenigen waren, die man von früher her kannte.
    Es würde dauern. Das Stigmata öffnete erst am Abend. Chef war der Sir. So ließ er sich nennen. Ein Gentleman aus dem Reich der Vergangenheit. Einer, der das 19. Jahrhundert liebte, und der mit bürgerlichem Namen Cecil Banks hieß.
    Konnte sie ihn überzeugen?
    Nicht jetzt. Sie wusste nicht, wo er lebte. Aber er hatte sicherlich ein Telefon. Nach einer Internet-Adresse brauchte sie nicht zu forschen. Sie besaß keinen Computer und demnach auch keinen Internet-Anschluss.
    Der Sir und sie hatten sich immer gut verstanden. Das war bei ihm auf beruflicher Ebene gewesen. Wie er reagieren würde, wenn sie ihn privat anrief, daran wollte sie nicht denken.
    Trotzdem musste sie es versuchen. Sie würde sich sonst immer Vorwürfe machen.
    »Cecil Banks«, flüsterte sie. Ein Telefonbuch besaß sie nicht. Aber sie wusste, wo sie eins auftreiben konnte. In der Nähe gab es ein kleines Postamt.
    Vanessa verließ ihre Wohnung. Sie nahm die Bananenschale mit und warf sie wenig später in einen Abfallkorb, der noch nicht übervoll war wie die meisten anderen.
    Mit hastigen Schritten überquerte sie die Straße. Der Wind hatte leicht zugenommen. Er blies gegen den Stoff ihres Kleides und ließ sie frösteln.
    Menschen schauten sie an. Vanessa traute sich nicht, zurückzublicken. Sie sah nicht in jedem einen Feind, aber sie wollte auch nicht ins offene Messer rennen.
    Eine Zelle im Postamt war frei. Dicke Telefonbücher lagen auf einem Regal. Sie stellte sich ganz ans Ende und begann mit hektischen Fingern zu blättern.
    ***
    »Ich mag dich«, flüsterte Justine Cavallo.
    Cecil Banks lachte tief in der Kehle. »Das weiß ich. Viele mögen mich, ich würde sogar sagen, fast alle.«
    »Wir werden sehen.«
    Die beiden saßen sich in Banks Wohnung gegenüber und hielten Gläser in den Händen. In den schmalen Kelchen perlte der Champagner. Banks hatte ihn spendiert, denn auf eine derartige Person traf man nur einmal im Leben.
    Er liebte die dunklen Mächte. Er liebte die Vampire, und trotzdem hätte er es nicht für möglich gehalten, dass er mal einem Blutsauger begegnen würde.
    In diesem Fall war es eine Blutsaugerin. Hinzu noch aufregend schön. Genau das, was er gern vernascht hätte. Aber er hütete sich davor. Ein Blick in die kalten
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