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1307 - Die toten Frauen von Berlin

1307 - Die toten Frauen von Berlin

Titel: 1307 - Die toten Frauen von Berlin
Autoren: Jason Dark
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irgendwie nichtssagenden Gesicht, der der Person am Schreibtisch irgendwie ähnelte.
    Harry Stahl hatte lange genug geschwiegen. Er wollte endlich die Wahrheit bestätigt bekommen.
    »Gideon Schwarz?«
    »Sehr gut. Ja, das bin ich.« Er wies über den Schreibtisch hinweg.
    »Wenn Sie sich schon die Mühe gemacht haben, mich zu finden, möchte ich Sie doch bitten, näher zu kommen. So können wir uns in aller Ruhe unterhalten. Finden Sie nicht auch?«
    Er gab sich sehr sicher. Einer wie er kam nicht auf den Gedanken, verlieren zu können.
    Wir hatten beide nichts dagegen, sein Büro zu betreten, denn die vier Untoten rührten sich nicht von der Stelle. Ihre Zeit war noch nicht gekommen. Doch wenn sie kam, dann waren wir bereit…
    ***
    Es war wie bei einem Auftritt, den wir geprobt hatten. An einer bestimmten Stelle vor dem Schreibtisch blieben wir stehen, und Gideon Schwarz hatte auch nichts dagegen, dass wir diesen Platz einnahmen. Er schien sich sogar darüber zu freuen. Wie anders hätten wir sonst sein Lächeln deuten sollen?
    Sein Gesicht blieb unbewegt. Nur in den Augen entdeckten wir ein hartes Funkeln. Es lag an diesem schneidenden Blick, mit dem er uns beinahe sezierte.
    »Es hat lange gedauert, bis man mein Geheimnis herausfand«, erklärte uns Schwarz. Er hatte seine Hände auf den Schreibtisch gelegt. Sie hatten lange und sehr glatte Finger, die mich irgendwie an Spargelstücke erinnerten.
    Harry stand unter Druck. Er konnte und wollte nicht mehr länger schweigen. »Sie sind Gideon Schwarz.«
    »Genau.«
    »Und damit verwandt mit Alois Schwarz.«
    »Er war mein Urgroßvater«, erklärte Gideon voller Stolz.
    »Der letzte Scharfrichter hier in der Stadt?«
    »So ist es.« Bisher hatte Schwarz ruhig gesessen. Jetzt erkannten wir, dass er auf einem Drehstuhl saß, mit dem er sich langsam nach links drehte. Dabei hob er seinen linken Arm an und deutete voller Stolz auf die Wand mit den alten Fotos und den vergilbten Zeitungsausschnitten, die in Plastikhüllen steckten.
    Gideon atmete tief ein. Er stöhnte dabei sogar. »Ja, das ist alles, was ich über meinen Urgroßvater noch gefunden habe. Er war ein besonderer und wunderbarer Mann mit einem sehr ungewöhnlichen Beruf, in dem er richtig aufging. Er war davon begeistert. Er mochte seine Arbeit sehr. Er wurde durch sie anerkannt und gefürchtet…«
    Harry schnaubte heftig. »Er liebte tatsächlich das Töten von Menschen? Habe ich richtig gehört?«
    »Ja, er war stolz darauf!«
    »Das ist pervers.«
    Gideon fühlte sich durch diese Antwort keineswegs angegriffen.
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen, ich bin jedenfalls stolz auf meinen Urgroßvater. Er ist ein großartiger Mann gewesen, und einer musste die Aufgabe ja übernehmen, die Welt von diesem zweibeinigen Ungeziefer zu befreien. Da war er der Richtige, das können Sie mir glauben. Das haben alle gesagt. In seiner Zeit war er geachtet und respektiert. Aber auch gefürchtet, und das musste so sein.«
    »Sind Sie sein Nachfolger?«, fragte ich.
    Gideon legte den Kopf schief. »Ja, in gewisser Hinsicht.« Er wischte durch die Luft. »Da muss ich wieder auf meinen Urgroßvater zurückkommen. Er war sehr mit seiner Arbeit verwachsen. Er mochte seinen Job. Er konnte ohne ihn nicht sein. Für ihn gab es keinen Feierabend, wenn Sie verstehen…«
    »Moment. Hat er dann auch weiterhin getötet?«
    Gideons Augen glänzten. »Genau das hat er getan. Er liebte seine Leichen. Er brauchte sie. Vor allen Dingen die Frauen. Sie alle sind zu seinen Freundinnen geworden.«
    »Die… Toten?«, fragte ich.
    »Genau. Die nach Feierabend. Er hat sie sich geholt und um sich versammelt. Nicht in seiner Wohnung, in der er lebte und ein sehr zärtlicher Familienvater gewesen ist. Nein, er hatte sich etwas gebaut. Eine kleine Laube mitten im Wald. Es ist sein Refugium gewesen. Dort hat er alle seine Freundinnen hingeschafft und ihnen einen Platz gegeben, an dem sie sich wohl fühlen konnten. Da hat er die Toten um sich herum gehabt. Er hat sie geliebt. Er hat sie nicht mal gequält, wenn er sie tötete. Aber er war konsequent.«
    »Tote Frauen, nicht wahr?«
    »Ja, das sagte ich schon!« Die Stimme des Mannes klang ärgerlich.
    »Und Ihre hier?«
    Plötzlich konnte er wieder lächeln. »Es sind meine Freundinnen. Das habe ich von meinem Urgroßvater geerbt. Auch ich sammle sie, aber anders als er.«
    »Wieso?«
    »Bei Alois waren sie tot.«
    »Und bei Ihnen sind sie untot.«
    »Genau.«
    »Warum?«
    Gideon Schwarz grinste jetzt
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