Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1300 - Die Gänger des Netzes

Titel: 1300 - Die Gänger des Netzes
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
vermittelte, wirklich allein zu sein. In früheren Jahren, als ich noch unsicher war und mit mir selbst nichts anzufangen wusste, ließ ich mich oft von einem Freund dort hinauf in die Tundra fliegen: von Obeah, von Geoffry, oder manchmal nahm mich auch Gucky per Telesprung mit. Seit einem Jahr benützte ich meinen eigenen Gleiter. Aber ich war jetzt nicht mehr unsicher; ich wusste auch, wohin mein Weg führte. Die Einsamkeit liebte ich deswegen noch immer. Dicht bewaldetes Land zog unter mir dahin. Breite Ströme wälzten sich dem Nordmeer entgegen. In Küstennähe bestand der Wald zumeist aus Laubbäumen. Einige davon hatten sich zu verfärben begonnen und leuchteten im goldenen Rot des Herbstes. Je weiter nordwärts wir kamen, desto deutlicher nahmen Nadelhölzer überhand.
    Sie wurden kleiner, als wir uns dem Pol näherten. Der Wald wirkte ruppig; die Lichtungen wurden immer größer.
    Und schließlich hörte der Baumwuchs vollends auf. Unter mir lag die ewige Tundra, das gelbgrüne. Land, das den Weißfüchsen gehörte. Der Gleiter neigte sich nach unten und verringerte die Geschwindigkeit. Ich sah auf die Uhr. Es war Zeit für meinen Anruf. Gesil meldete sich. Es gab keine Bildverbindung. „Fast habe ich es mir gedacht", sagte sie. „Bwimi ruft?"
    „Ja", antwortete ich. „Ich muss ihn noch einmal sprechen, bevor ich... bevor ich..."
    „Drück dich nicht davor, Eirene", ermahnte sie mich freundlich. „Bevor du den Abdruck des Einverständnisses bekommst, heißt es."
    „Ja." Ich kam mir dumm vor, weil ich Hemmungen empfand, die Worte auszusprechen. „Ich bin auf jeden Fall pünktlich zurück."
    „Ich weiß", sagte Gesil. „Du wirst sie nicht warten lassen." Die Verbindung erlosch. Zwischen Gesil und mir bedurfte es nicht vieler Worte. Jede wusste, was in der anderen Gedanken vorging. Es kam oft vor, dass wir uns nur mit Blicken verständigten. Mein Verhältnis zu Perry war anders. Er liebte das Exakte, das Präzise. Er fand es mitunter schwer, sich in die Psyche einer Frau zu ver- .setzen - ebenso wie es für mich schwierig war, dem Lauf seiner Ge danken zu folgen. Das bedeutete nicht, dass ich mich mit der Mutter besser verstand als mit dem Vater. Nur die Art der Kommunikation war eine andere.
    Der Gleiter bewegte sich in geringer Höhe über das flache Land. Voraus tauchte ein eigenartig geformter Hügel auf. Das war die Markierung, nach der ich mich seit Jahren richtete. „Lande an der Westseite", trug ich dem Autopiloten auf. „Ich weiß", sagte er ein wenig ungeduldig. „Ich bin schließlich nicht zum erstenmal hier."
    Unter dem Hügel lagen die Überreste einer uralten Stadt. Hier und da trat das Gestein noch nackt zutage: zerbröckeltes Mauerwerk, dicke Platten aus einer marmorähnlichen Substanz. Das Gras der Tundra wuchs träge. Es ließ viele Lücken, durch die man in die Vergangenheit blicken konnte. Auf Sabhal hatte es einst eine eingeborene Zivilisation gegeben. Vor etwa zehntausend Jahren war sie untergegangen, und niemand wusste warum. Unter den Wesen, die sich in Hagon angesiedelt hatten, gab es nur wenige, die sich auf Archäologie verstanden. Aber eines Tages würde man dem Geheimnis der alten Sabhaler auf den Grund gehen. So sagte Perry wenigstens. Eines Tages, wenn die Gänger des Netzes Zeit für friedliche Projekte hatten und nicht mehr gegen die Ewigen Krieger zu kämpfen brauchten.
    Nach 500 Metern war der Gleiter nicht mehr in Sicht. Ich ging noch einen Kilometer weiter, bis ich zu den Hügeln kam, die die Weißfüchse errichtet hatten. Die Hügel waren ihre Wohnburgen. In der Regel wurde eine Burg mehrere Generationen hindurch benützt. Einmal hatte ich das, Innere eines Hügels zu sehen bekommen. Ich hatte ein paar Aufnahmen gemacht, um sie denen zu zeigen; die von den Weißfüchsen immer als von instinktgeleiteten Tieren sprachen. Die Wohnburg war säuberlich in einzelne Räume aufgeteilt. Ein Hügel wurde gewöhnlich von einem Männchen, einem Weibchen und drei bis sechs Jungen bewohnt. Wenn es an der Zeit für den nächsten Wurf war, mussten die Jungen ausziehen und sich entweder eine verlassene Burg suchen oder selbst eine bauen. Der letzte Wurf erbte die Burg von den Eltern. Gewöhnlich entspann sich dann ein Streit, der jedoch fast nie mit Gewalt, sondern mit Worten ausgetragen wurde. (In Hagon lachen sie über mich, wenn ich das sage. Aber ich bin fest überzeugt, dass sich die Weißfüchse durch eine Art Sprache miteinander verständigen können.) Der Sieger oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher