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1295 - Der neue Sotho

Titel: 1295 - Der neue Sotho
Autoren: Unbekannt
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die an Bord lebten. Die mentale Identifizierungsmethode orientierte sich an der schwachen psionischen Streustrahlung, die jedes denkende Gehirn von sich gab.
    In meinem Fall funktionierte das alles nicht. Ko hatte zwar den Behälter, in dem ich steckte, selbst hergestellt, aber mit der tiefgefrorenen Srimavo konnte sie optisch nichts anfangen. Die Stimme, die sie hörte, war nicht meine, sondern die eines Synthesizers. Sie war der meinen zwar nachgeahmt, aber Ko besaß ein empfindliches Gehör, das die winzigen Abweichungen mühelos erkannte. Und was die psionische Streustrahlung anbelangt - nun, ich bin nicht sicher, ob ein tiefgekühltes Gehirn, auch wenn es des Denkens noch fähig ist, überhaupt strahlt. Ich spürte auch, daß innerhalb meines Metabolismus neue Mechanismen und Prozesse in Tätigkeit getreten waren, die ich bisher nicht gekannt hatte und die bewirkten, daß ich die kryogene Unterkühlung schadlos überstand. Ich war eben kein Mensch, auch wenn ich wie ein solcher aussah. Mein Körper war wesentlich widerstandsfähiger und anpassungswilliger als der des Homo sapiens.
    Aber wenn mein Gehirn überhaupt noch Streustrahlung von sich gab, dann war sie infolge der neuen metabolischen Aktivität gegenüber jener, die Ko erkannte, sicherlich verändert - ein weiterer Grund, warum das Schiff mich nicht als reguläres Besatzungsmitglied anerkannte.
    Aus diesem Dilemma mußte Vinktar mir helfen. Ich hatte ihm meinen Lebenslauf erzählt, von den Bergen von Shonaar über Quiupu und Lokvorth, Gesil und Vishna bis zu den Virenschiffen und Leos Kindergarten. Ohne daß ich es gewollt hatte, war der Bericht auch für mich eine heilsame Prozedur gewesen. Er hatte mir wieder einmal vor Augen geführt, was ich sonst gerne aus meinen Gedanken verbannte: daß ich über meine wahre Herkunft so gut wie nichts wußte. Ich war eine Inkarnation Vishnas, aber was sollte man sich darunter vorstellen? Besaß ich eine Erbmasse, und wenn ja: wessen? Gab es Wesen, die mir ähnlich waren, im Aussehen, in der Wesensart - nicht aus Zufall, sondern weil sie mit mir in irgendeiner Weise verwandt waren? Ich wußte es nicht. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, wurde ich traurig. Deswegen hatte ich mir abgewöhnt, daran zu denken.
    Vinktar jedenfalls war von meiner Geschichte begeistert. Wenn ich eine besonders erhebende Episode berichtete - oder aus dem Stegreif erfand -, klatschte er in die Hände: eine Gewohnheit, die seine Spezies offenbar mit den Terranern gemein hatte.
    Schließlich endete ich mit den Worten: „Ich habe in wenigen Jahren mehr erlebt als ein anderes Wesen während eines ganzen langen Lebens. Deswegen dauert es mich auch nicht besonders, daß ich jetzt von dieser Welt Abschied nehmen muß."
    Das begriff er nicht sofort. Er hockte da, in einem bequemen Sessel aus Virenmaterie, und ließ meine Worte in sich einsinken. Plötzlich fuhr er in die Höhe.
    „Was sprichst du da?" rief er. „Redest du vom Tod?"
    „Wovon sonst?" antwortete ich traurig. „Wie lange, glaubst du, kann ein organischer Körper bei solchen Temperaturen überleben?"
    Ich ahnte das Mitleid, das in ihm aufwallte. Ich hatte ihn auf dem richtigen Pfad.
    „Wie kann das sein?" fragte er entsetzt. „Warum bewahrt man dich in diesem Behälter auf? Warum läßt man dich nicht heraus?"
    Ich hätte ihm die Wahrheit sagen können: Weil Ijarkor etwas Bestimmtes mit mir vorhatte. Weil Ijarkor ein gefühlloses Monstrum war, dem es nichts bedeutete, wenn ich Qualen der Einsamkeit erlitt. Weil überhaupt die ganze Sache mit den Ewigen Kriegern ein hirnverbrannter Blödsinn war, die jedem, der damit in Berührung kam, weiter nichts als Ärger, Schmerz und Trauer brachte.
    Vinktar mochte ein Narr sein, aber er war ganz sicher kodextreu. Ich hütete mich also, mit meiner wahren Ansicht herauszurücken.
    „Ich nehme an, man hat mich vergessen", sagte ich.
    Er war ganz außer sich. Er ging mit kleinen, trippelnden Schritten vor meinem Behälter auf und ab, und wenn sein mit grüner, lederner Haut bedeckter Schädel nicht völlig kahl gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich die Haare gerauft.
    „Man muß jemand darauf aufmerksam machen", jammerte er.
    „Damit ist mir nicht geholfen", sagte ich. „Es muß schnell gehen. Ich habe nur noch ein paar Minuten zu leben."
    Vinktar war sichtlich gerührt.
    „Was dann?" rief er aus.
    „Nur du kannst mir helfen", erklärte ich.
    „Ich?" fragte er erstaunt.
    „Ich brauche nicht mehr als eine halbe Stunde", sagte
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