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1278 - Der Elfahder

Titel: 1278 - Der Elfahder
Autoren: Unbekannt
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D'haan war eine Sonne. Auch sie spendete Leben und schützte die, die in ihrem Glanz lebten.
    „Gibt es in dieser Stadt einen Berg?" wollte er wissen.
    „Freilich, im Park der Sänger", antwortete der Autopilot. „Sein Gipfel ragt selbst noch über die höchsten Gebäude hinaus."
    „Setz mich dort ab", verlangte Volcayr. „Irgendwo unterhalb des Gipfels, so daß ich hinaufsteigen und den Aufgang der Sonne beobachten kann."
    „Du hättest eine bessere Aussicht von diesem Fahrzeug aus", wagte der Autopilot vorzuschlagen. Aber Volcayr fiel ihm barsch ins Wort.
    „Tu, was ich dir sage", befahl er.
    „Selbstverständlich, mein Gast."
    Beim Anflug auf den Park der Sänger glaubte Volcayr, die Positionslichter eines Fahrzeugs zu bemerken, das in geringer Entfernung an seinem Gleiter vorbeihuschte.
    Aber er maß der Beobachtung keine Bedeutung bei. Er fieberte dem Sonnenaufgang entgegen und sah mit Besorgnis, wie der Himmel sich zusehends rötete. Er mußte oben auf dem Gipfel stehen, bevor das erste, winzige Stück der Sonnenscheibe über dem Horizont erschien.
    Das Fahrzeug landete in einem Gebüsch aus verkrüppelten Bäumen. Es war kühl in Gipfelnähe, die Luft wesentlich dünner als unten in der Stadtebene. Wie ein mächtiger Dom zeichnete sich der Gipfel gegen die rote Glut des frühen Morgenhimmels ab. Ein selten begangener Pfad schlängelte sich zwischen Felsen hindurch zur Kuppe hinauf.
    Volcayr stieg in die Höhe. Der Gipfel selbst war eine ebene, vegetationslose Felsplatte.
    Der Elfahder sank in sich zusammen. Wie er so da hockte, wirkte sein Panzer wie ein Haufen weggeworfenes Altmetall. Wer ihn in dieser Haltung gesehen hätte, dem wäre kaum in den Sinn gekommen, daß er einen der stolzen, unüberwindlichen Elfahder vor sich hatte, einen Waffenträger der Krieger, den Feldherrn zahlloser siegreicher Kampagnen. Die Position, die Volcayr einnahm, war die kultische Haltung des Sonnengebets, von seinen Vorfahren schon praktiziert, als sie noch die Körperform besaßen, die heutzutage der Panzer nachzuahmen versuchte - damals, vor der großen Katastrophe, die nur mit der gnädigen Hilfe der mächtigen Aachd hatte überwunden werden können.
    Er richtete den Blick dorthin, wo sich der Himmel in tiefem, blutigem Rot zu verfärben begonnen hatte. Matt leuchteten die Lichter der Stadt zu ihm herauf. Er sah sie nicht. Im Innern des Panzers hatte sich die Substanz seines Körpers zu Hunderten von Strängen und Fasern geformt, die zuerst sanft, dann immer machtvoller zu vibrieren begannen, als er sie kraft seines Geistes in Bewegung versetzte. Schließlich erklang aus ihnen, wie von den Saiten vieler Harfen, brausend das Lied der Sonne, das mit den Worten beginnt: Aachd, du Hort des Lebens, Schöpferin der Kraft; Schützerin der Sterblichen...
    Er sang es mit Inbrunst, als der erste dünne Strich der roten Sonnenscheibe sich hinter dem Horizont hervorschob, und er sang es noch eine Stunde später, als D'haan sich bis zu einem Drittel ihres Umfangs über die Kimmung erhoben hatte und die Lichter der Stadt vor ihrem Glanz endgültig verblaßt waren. Ein unwirkliches Licht umspielte den Anbetenden. Das Rot der Sonne mischte sich mit dem bernsteinfarbenen Schimmer des Panzers zu einem kräftigen, leuchtenden Gold. Für den, der nur einen flüchtigen Blick auf den Gipfel des Berges warf, mochte es so aussehen, als sei dort ein mächtiger Klumpen des edelsten aller Metalle aus dem Felsen gewachsen.
    Als Volcayr sich schließlich erhob, fühlte er sich gekräftigt. Die Stunde der Andacht hatte seine Seele gereinigt. Die Unsicherheit, die ihn bisher geplagt hatte, war verschwunden.
    Er fühlte sich weniger reizbar. Gleichzeitig erkannte er allerdings, daß er impulsiv und unvorsichtig gehandelt hatte. Das Ritual des Sonnengebets war in der Einsamkeit zu zelebrieren. Der betende Elfahder duldete nicht einmal die Nähe eines Artgenossen, geschweige denn die eines Fremdwesens. Was wußte er davon, wie viele Bewohner der Stadt Mardakka den Gipfel des Berges zu besuchen pflegten? Womöglich war er ein beliebtes Ausflugsziel, zu dem die Mardakker in Scharen pilgerten. Daß er die Stunde des Gebets in völliger Einsamkeit hatte verbringen können, war nur ein Zufall gewesen. Ein glücklicher Zufall, dachte er erschreckt; denn beim Gebet gestört zu werden, kam einer Lästerung der Sonne gleich.
    Als er sich zum Abstieg anschickte, glaubte er, in der Nähe das Summen eines Triebwerks zu hören. Aber wiederum hielt er die
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