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1269 - Julie

1269 - Julie

Titel: 1269 - Julie
Autoren: Jason Dark
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mehr begraben wurde.
    Ich hatte das Mädchen an die linke Hand genommen. In der rechten Tasche steckte mein Kreuz. Wieder tastete ich danach und stellte mich eigentlich darauf ein, so etwas wie Wärme zu spüren, aber es ließ mich leider im Stich.
    Möglicherweise war auch keine der gefährlichen Gegenkräfte vorhanden. Und so konnte es sein, dass ich einem großen Irrtum aufgesessen war. Schief stehende Kreuze, die in der unteren Hälfte von den langen Stängeln der Pflanzen und den Stielen der Gräser umwuchert wurden. Eine Patina aus Moos klebte an dem Gestein, aber es war nichts auf diesem alten Totenacker zu sehen, das sich bewegte.
    Selbst der Wind war zu einem lauen Lüftchen geworden.
    Als wir etwa die Mitte des Geländes erreicht hatten, blieb Julie Wilson stehen. Sie schaute zu den Bäumen hin, als könnten sie ihr Antworten auf gewisse Fragen geben, die durch ihren Kopf strömten. Ich richtete meinen Blick auf die andere Seite des Friedhofs, und auch dort entdeckte ich keine Begrenzung. Es schlossen sich Wiesen und Feuchtgebiete an, denn nicht weit entfernt schob sich die Themse durch ihr Bett.
    Ich hatte Julie losgelassen, und sie dachte auch nicht mehr daran, mich wieder anzufassen. Sie stand wie eine Statue auf dem weichen Boden und schaute nach vorn. Die Bäume behielt sie dabei immer im Blick.
    Dann bemerkte ich, dass sie die Augen allmählich schloss, aber sie würde bestimmt nicht einschlafen.
    Es vergingen abermals einige Sekunden, als sie sich mit einer Frage an mich wandte. »Hörst du es?«
    »Was denn?«
    Sie bewegte die Finger etwas unsicher. »Da… da … singen sie doch, John. Ja, sie singen …«
    »Wer singt?«
    »Hör genau hin!«
    Ich tat ihr den Gefallen und konzentrierte mich auf den Gesang. Das heißt, ich wollte es tun, aber da war nichts, so sehr ich mich auch anstrengte. Er blieb meinen Ohren verschlossen. Aber auch Belials Stimme oder die des Mädchens hatte ich nicht gehört, und so glaubte ich nicht, dass Julie gelogen hatte.
    »Wer singt denn da?«, fragte ich sie.
    Mit leiser, schon tonloser Stimme gab sie mir eine Antwort, die einen Schauer über meinen Rücken trieb. »Die Toten singen, John, es sind die Toten…«
    ***
    Die Öffnung der Weinflasche schwebte über Sheilas Glas, aber ihre Hand war schneller. »Nein, Bill, bitte nicht. Ich möchte nichts mehr trinken.«
    »Oh - warum nicht?«
    Sheila, die zusammen mit ihrem Mann von der Terrasse ins Haus gegangen war, zuckte die Achseln. »Ich habe bereits zwei Gläser getrunken, Bill. Man kann nie wissen, was noch kommt.«
    »Gut.« Die Flaschenöffnung verschwand wieder, und Bill schenkte sich selbst auch nichts ein. Er stellte die Flasche zur Seite und setzte sich nicht mehr hin.
    »Was ist mit dir los, Sheila?«
    Sie deutete auf ihre Armbanduhr. »Wenn ich ehrlich sein soll, dann mache ich mir Sorgen um John.«
    Bill runzelte die Stirn. »Ich ebenfalls.«
    »Er hätte schon längst hier sein müssen.«
    Bill seufzte. »Genau das ist das Problem. Er hörte sich am Telefon so locker an. So weit ist er auch nicht weg. Da könnte etwas passiert sein.«
    Sheila runzelte die Sitrn. »Du hast ja länger mit ihm gesprochen und…«
    »Nein, nein«, unterbrach Bill seine Frau. »Ich weiß, was du jetzt sagen willst, aber vergiss es. Ich habe nicht viel mehr erfahren als du. Sie wollen bei uns nur ein Kind, ein Mädchen, in Sicherheit bringen. Das ist alles.«
    »Hört sich einfach an. Aber wenn sie jemanden in Sicherheit bringen wollen, muss das einen Grund haben, und ich gehe davon aus, dass dieses Kind verfolgt wird.«
    »Richtig.«
    »Von wem?«
    Darauf wusste der Reporter keine Antwort. Er schaute gegen den Teppich.
    Es wurde so still, dass er sogar das Summen einer Mücke neben seinem linken Ohr hörte.
    »Hat John keine Andeutung gemacht?«
    »Das weißt du doch selbst. Belial ist ins Gespräch gekommen.« Er schüttelte den Kopf. »Der Engel der Lügen. Da darf man gespannt sein, welche Lüge er uns jetzt wieder auftischen will.«
    »Ist alles Lüge?«
    »Meinst du Johns Anruf damit?«
    »Ich rechne mit allem.«
    »Nein, nein, das glaube ich nicht. Das war schon Johns Stimme, und er hat Probleme.«
    Die Conollys diskutierten noch eine Weile, bis eine Stunde, die ihnen vorgegeben worden war, vorbei war.
    Bill stand auf und holte sein Handy. »Es hilft alles nichts, ich werde ihn jetzt anrufen.«
    »Ist das gut?«
    »Ja, Sheila, das ist es.«
    »Du musst es wissen.«
    Bill hatte die Nummer eingespeichert. Er rief sie ab,
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