Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
126 - Hinter der Grenze

126 - Hinter der Grenze

Titel: 126 - Hinter der Grenze
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Autopiloten deaktivierte und die Steuerung selbst übernahm. »Ich fliege eine Runde über das Dorf, dann sehen wir weiter.«
    »Ja, Sir.«
    Langsam zog der EWAT an der Insel vorbei über den See.
    Am Fuß der Felsnadel bemerkte Fiona niedergebrannte Feuer und weiße Kreidezeichnungen.
    »Das scheint eine Art, hm, Ritualplatz zu sein«, sagte Stuart.
    »Möglicherweise eine Opferstätte.«
    Drax betrachtete die Felsnadel mit skeptischem Blick.
    »Opferstätte klingt nicht gut.«
    Er steuerte den EWAT auf das Ufer zu. Das Dorf, dem sie sich näherten, wirkte wie eine Spiegelung des ersten. Hohe Palisaden, Wachtürme, ein paar Steinhütten und Boote. Auf dem Platz in der Mitte des Dorfes hatten sich Menschen versammelt, die auf den EWAT zeigten und ihn anstarrten.
    Fiona sah Männer und Frauen, aber keine Kinder.
    Die hat man bestimmt in den Hütten versteckt, dachte sie.
    »Da passiert was«, sagte Drax. Er schwenkte den EWAT zur Seite, bis vier Männer unterhalb des Bugs zu sehen waren.
    Sie trugen ein zotteliges, hüfthohes Tier zwischen sich und bewegten sich auf den Platz zu.
    Drax sah zu Stuart herüber. »Was hältst du davon?«
    »Ich, äh, bin mir nicht sicher. Warten wir ab, was sie damit machen.«
    Die Männer blieben in der Mitte des Platzes stehen. Die Menschenmenge bildete einen Halbkreis, konzentrierte sich nicht mehr auf den EWAT, sondern auf eine Hütte, aus der in diesem Augenblick ein hoch gewachsener, breitschultriger Mann trat. Seine Arme, die halb unter einem weißen Lupafell verschwanden, waren beeindruckend muskulös, seine Haare dunkel und lang. In einer Hand hielt er ein Schwert, in der anderen einen Tonkrug.
    »Das dürfte ihr Häuptling sein«, sagte Stuart.
    Die Männer, die das Tier festhielten, knieten nieder. Zwei zogen den Kopf am Fell zurück. Das Schwert des Häuptlings bewegte sich so schnell, dass Fiona den Stoß kaum bemerkte.
    Sie sah nur, wie das Tier zuckend zu Boden fiel, und der Häuptling den abgetrennten Kopf hochhielt. Blut lief daraus in den Tonkrug. Er wartete, bis nur noch einzelne Tropfen in den Krug fielen, dann warf er den Kopf zur Seite und trank einen tiefen Schluck.
    »Ach du Scheiße«, sagte Lansdale leise.
    Der Häuptling wischte sich den Mund ab. Er sah auf und streckte dem EWAT den Krug entgegen. Reglos blieb er stehen.
    Stuart räusperte sich. »Ich glaube, man hat uns gerade zum, äh, Abendessen eingeladen.«
    ***
    Vergangenheit, 09.11.2011
    Skinny Puppy's »Blood on the Walls« dröhnte durch das dunkle Treppenhaus des Altbaus. Ronnie schüttelte den Regen aus seinen Haaren und tastete sich bis in den ersten Stock hinauf. Putz und Glasscherben knirschten unter seinen Sohlen.
    Vor ein paar Wochen hatte jemand sämtliche Lampen im Treppenhaus zerschlagen. Den Vermieter interessierte das anscheinend nicht. Vielleicht hatte es ihm auch niemand gesagt
    »Hey!« Ronnie trat gegen die Wohnungstür. Die Klingel hätte im Inneren ohnehin niemand gehört.
    Es dauerte einen Moment, dann wurde die Musik schlagartig leiser. »Wer ist da?«
    Ronnie erkannte Deserts Stimme. »Ich bin's. Macht auf!«
    Er hörte Schritte auf dem Holzboden, dann wurde die Tür aufgezogen.
    »Du kommst genau richtig«, sagte Desert. Er war mehr als einen Kopf größer als Ronnie und fast doppelt so breit. Seine blonden Rastas reichten bis zur Hüfte. »Eternity und Cosmic machen gerade das Abendessen.«
    »Cool.«
    Ronnie schloss die Tür hinter sich und zog Schuhe und Jacke aus. Der Geruch nach Ingwer, Zitronengras und Marihuana hüllte ihn ein.
    »Ich hab Paul und die anderen vor dem Institut gesehen«, rief er in die Küche hinein.
    »Haben sie gesungen?«, rief Eternity zurück. Eternity war nicht ihr richtiger Name. Eigentlich hieß sie Lisa, aber ebenso wie die anderen Aktivisten hatte sie ihren Geburtsnamen abgelegt und einen neuen angenommen.
    »Ja.« Ronnie betrat die Wohnküche. Die großen Fenster waren beschlagen. Kissen, Decken und Bastmatten lagen auf dem Boden. »Sie glauben immer noch, dass Gottes Wort Wingfield überzeugen wird.«
    Eternity drehte sich vom Herd weg und legte den Holzlöffel zur Seite. Sie war schlank, jung und hatte ihre kurzen Haare violett gefärbt. Ronnie hielt sie für die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
    »Paul ist ein Idiot«, sagte sie. »Mit Liedern und Flugblättern wird man keinem einzigen Tier helfen, nur mit Taten.«
    »Ganz genau.« Cosmic nickte. Sie war bereits über sechzig und damit die Älteste in der Wohngemeinschaft. Auch sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher