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1253 - Angst vor dem eigenen Ich

1253 - Angst vor dem eigenen Ich

Titel: 1253 - Angst vor dem eigenen Ich
Autoren: Jason Dark
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noch nichts. »Der Vorschlag, die Gebeine auf eine ungewöhnliche Art und Weise zu heben, ist gut.«
    Wir sagten zunächst nichts. Bis ich schließlich den Kopf schüttelte. »Sorry, Godwin, aber da bist du schon einen Schritt weitergegangen. Ich habe eher daran gedacht, dass wir darüber reden können. Es ist eine theoretische Möglichkeit.«
    Der blonde Godwin hob die Augenbrauen an. »Ist das wirklich nur Theorie?«
    »Ja, was sonst?« Ich deutete auf Julie Ritter. »Was sie erlebt hat, ist ein Phänomen. Das wissen wir alle. Nur kann sie es nicht steuern. Sie ist nicht in der Lage zu sagen: So, ich produziere jetzt meinen Zweitkörper oder was auch immer. Nein, nein, so geht das nicht. Hinzu kommt noch etwas. Wenn es ihr tatsächlich gelingen würde, stellt sich noch immer die Frage, ob der Zweitkörper überhaupt in der Lage ist, Gegenstände zu berühren und sie zu transportieren. Daran sollten wir auch zunächst denken, das ist meine Ansicht.«
    »Gratuliere«, sagte Godwin. »Daran habe ich in meiner Euphorie nicht gedacht.« Er wandte sich Julie zu. »Aber da müsstest du uns doch eine Antwort geben können - oder nicht?«
    Sie nickte. Als sie dabei die Lippen zusammenpresste, wurde mir zumindest klar, dass die Antwort nicht so leicht zu geben war. »Das… das… weiß ich nicht«, sagte sie mit leiser Stimme. »Bitte, es ist auch keine Ausrede. Ich habe so etwas noch niemals ausprobiert. Ich weiß auch nicht, ob der andere Körper selbst denken kann und in der Lage ist, von dem echten Befehle anzunehmen. Das müsste sich alles noch klären.«
    »Wärst du denn dazu bereit?«, wollte Godwin wissen.
    Julie schaute ins Leere. »Ich weiß es nicht, Godwin. Aber wenn ich euch damit helfen kann, bin ich gern dabei.«
    »Danke.«
    Nach einer Pause sagte ich: »Einfach wird es nicht werden. Wie sieht es bei dir aus, Godwin? Hast du schon über einen Plan nachgedacht, wie die Dinge in trockene Tücher gebracht werden können?«
    »Nein, das habe ich nicht. Zumindest nicht in allen Einzelheiten, um es so zu sagen. Ich habe mir nur gedacht, dass der Stollen ein wichtiger Ort ist. Wenn wir wieder zu dem Schacht gehen, an dem van Akkeren verschwand, könnte es doch möglich sein, dass sich Julie erinnert. Dieses Erinnern beherbergt zugleich Stress. Und was bei Stress mit ihr geschieht, das hat sie uns ja eben geschildert. Ist das vielleicht der Weg, dem ihr ebenfalls zustimmt?«
    Das war alles etwas plötzlich auf uns eingestürmt, und wir mussten zunächst mal nachdenken. Aber wichtiger war Julie. Das wusste sie auch. Sie saß etwas verkrampft auf ihrem Platz und wusste nicht so recht, wohin sie schauen sollte. Klar, wir muteten ihr viel zu. Wenn sie nicht wollte, würde ihr niemand einen Vorwurf machen, das sagte ich ihr auch, und sie nahm es mit einem zweifachen Nicken hin. Sie knetete ihre Hände. Es kam jetzt einzig und allein auf sie an, und sie wusste auch, dass sie dabei im Mittelpunkt stand.
    »Gut«, sagte sie schließlich. »Gut, ich denke, dass wir es versuchen sollten.«
    »Ausgezeichnet«, lobte Godwin.
    Ich winkte ab. »Bitte, behutsam. Kein Risiko. Oder das Risiko so klein wie möglich halten. Es darf ihr nichts passieren. Wir wissen nicht, mit welchen Kräften wir es hier zu tun haben. Da kann es noch böse Überraschungen geben.«
    »Du hast Recht, John. Ich sehe das Risiko ebenfalls. Aber ist dir der gegenwärtige Status lieber?«
    »Er hat bisher noch keinen gestört.«
    »Das sehe ich auch so. Aber wir wissen jetzt Bescheid, wie sich die Dinge entwickelt haben. Die Mauer hat Risse bekommen, und das sollten wir ausnutzen.«
    Die Entscheidung lag einzig und allein bei Julie Ritter. Sie hatte lange genug nachgedacht. Sie saß starr auf ihrem Platz, die Hände hielt sie zu Fäusten geballt, und sie sagte mit leiser, aber trotzdem fester Stimme: »Ich mache es!«
    »Danke«, erwiderte Godwin.
    Julie winkte ab. »Ich habe eingesehen, dass ich so etwas wie ein Mittelpunkt bin, von dem aus die Wege in die verschiedenen Richtungen laufen, um zu einem neuen Ziel zu gelangen. So hoffe ich, dass wir alle das Ziel finden.« Sie rieb über ihre Augen. »Darf ich mich noch etwas ausruhen?«
    »Sicher«, sagte Godwin, »solange du willst.«
    »Danke.«
    Julie stand auf. Godwin ließ sie von der Bank. Julie wollte nicht, dass einer von uns sie begleitete. Sie verließ die große Küche mit gesenktem Kopf, und wir stellten uns die Frage, ob wir wirklich alles richtig gemacht hatten.
    Keiner von uns traute sich,
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