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124 - Die weisse Frau vom Gespensterturm

124 - Die weisse Frau vom Gespensterturm

Titel: 124 - Die weisse Frau vom Gespensterturm
Autoren: Larry Brent
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war, etwas gegessen und sich dann bereit erklärt hatte, Bernauer
ein Stück mitzunehmen. Die beiden jungen Deutschen, deren Wege sich zufällig
gekreuzt hatten, unterhielten sich angeregt. Sie hatten sich auf Anhieb
verstanden und sprachen während der Fahrt noch mal über das, was sie in dem
Gasthof vorhin hörten.
    „Vielleicht
nehme ich mich der Geschichte auch nochmal an“, ließ Bernauer sich vernehmen.
Sein Blick war auf die leere, schnurgerade in die Nacht fahrende Straße
gerichtet aber er nahm den Verlauf der Fahrbahn nicht wahr. Er starrte in eine
imaginäre Feme. „Aber zuallererst interessiert mich der Gespensterturm. Ich
finde es prima von dir, mich mitzunehmen.“ „Ehrensache. Für mich ist’s der
gleiche Weg. Was hättest du getan, wenn ich nicht vorbeigekommen wäre?“
    Salwin wandte
kurz den Blick, und ihm fiel der entrückte, nachdenkliche Ausdruck im Gesicht
seines Reisebegleiters auf. Bernauer schien mit seinen Gedanken ganz woanders
zu sein. Salwin musste ihn ein zweites Mal ansprechen. Da zuckte Bernauer
zusammen und schien wie aus einem Traum zu erwachen. „Ich hätte anderweitig
mein Glück als Anhalter versucht.“ „Mit wenig Erfolg wahrscheinlich. In der
Kneipe gab’s außer uns keinen Fremden. Und von den Einheimischen hätte dich
wohl kaum jemand nach Pembroke gebracht.“
    „Nein, das
ist nicht anzunehmen. Dann hätte es morgen früh geklappt. Aber scheinbar
meint’s das Schicksal gut mit mir. Ich komme heute noch hin und werde die Nacht
darin verbringen.“
    „Du
scheinst’s ja wirklich kaum erwarten zu können, Martin.“
    „Wenn stimmt,
was ich darüber in alten Büchern ausgegraben habe, dann sind diese und die
kommende Nacht dafür besonders günstig.“
    „Und was ist
an diesen Nächten so besonders?"
    „Wir haben
Neumond. Ist dir noch nicht aufgefallen, wie dunkel es eigentlich ist?“
    Salwin warf
einen Blick zum nächtlichen Himmel rauf. Zwischen den Wolken funkelten
vereinzelt Sterne. Vom Mond war weit und breit nichts zu sehen. „Ist mir noch gar
nicht aufgefallen. Es ist dunkler als sonst, tatsächlich ...“ Wie um dies noch
zu unterstreichen, schaltete er plötzlich die Scheinwerfer aus und fuhr eine
halbe Minute in völliger Dunkelheit. Dann schaltete er die Scheinwerfer wieder
ein. „In Neumondnächten geht die Weiße Frau wohl besonders gern spazieren,
wie?“
    „Erraten.“
    „Und was
erwartet einen, wenn man ihr in einer solchen Nacht begegnet? Zieht sie dich
dann in ihr Himmelbett?“, feixte Rolf Salwin.
    „Es gibt
verschiedene Möglichkeiten. Eigentlich weiß man nichts Genaues, um das
vorauszusagen. Die einen sagen, sie sei ein männermordendes Weib — siehe die
Story, die wir in Berry ’s Comfortable Inn zu hören
bekamen. Die anderen behaupten, sie sei die phantastischste und aufregendste
Liebhaberin gewesen, die jemals unter Englands Sternen geboren wurde.“
    „So ne Art
weiblicher Casanova, wie?“
    „Vielleicht...
Das muss jedenfalls der Mann gedacht haben, mit dem sie vermählt werden sollte.
Ein gewisser Lord of Chester soll total verrückt nach ihr gewesen sein, hat die
schöne Lady überall hin verfolgt und wollte nicht, dass sie jemand anderem
gehört. Chester erfüllte der stolzen Lady jeden Wunsch, und sie nahm ihn
vermutlich auch aus. Er schenkte ihr zum Zeichen seiner Gunst - noch ehe sie
verlobt waren - sein Jagdschloss bei Pembroke. Ein Kleinod, wie es in England
und Wales zusammengenommen nicht mehr zu finden ist. Vielleicht war zu diesem
Zeitpunkt auch schon vereinbart, dass die schöne Lady Myra, wie sie hieß, Lord
Chesters Eheweib werden sollte und das Jagdschloss so etwas wie eine
Morgengabe. Das Geschenk nahm die Lady an. Als sie die Urkunde in der Hand
hielt, die sie als Besitzerin des Castle of Pembroke auswies, soll sie die
Katze aus dem Sack gelassen haben. Sie gab dem großzügigen Verehrer einen Korb
und ließ ihn wissen, dass sie noch ein wenig ihre Freiheit und Jugend genießen
wolle. Nun, mit dem Besitz, konnte sie noch schönere Feste geben und ihre
Kavaliere auf eigenem Grund und Boden empfangen. Da wurde Lord Chester sauer,
ergriff die Schöne und sperrte sie in den Turm, der separat in einem der
landschaftlich schönsten Winkel von Wales steht, mit wunderschönem Blick in die
Feme. Ursprünglich als Liebesnest gedacht, in das sie sich gemeinsam
zurückziehen konnten, wenn im etwa hundert Schritte entfernten Schlösschen zu
viele Gäste logierten, wurde der Turm nun zum Kerker der schönen,
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