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1229 - Das Vogelmädchen

1229 - Das Vogelmädchen

Titel: 1229 - Das Vogelmädchen
Autoren: Jason Dark
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an ihren Körper drückte, als wäre sie eine Beute, die nicht losgelassen werden sollte. Immer wieder strich sie über das Haar und das Gesicht des Mädchens, streichelte auch die Flügel, die wieder zusammenlagen, spürte die weichen wunderbaren Federn und bedeckte das Gesicht mit Küssen. Den Monstervogel hatte sie vergessen, was jetzt zählte, war einzig und allein das Vogelmädchen.
    So zart es auch wirkte, der Körper besaß einen kräftigen und muskulösen Aufbau, was auch so sein musste bei diesen anstrengenden Flugbewegungen. Mit der Lunge verhielt es sich ebenso. Sie war ebenfalls kräftiger als die eines Menschen.
    Dass die Stimmbänder verändert gewachsen waren, daran hatte sich die Tierärztin gewöhnt, ebenfalls an die schrillen Schreie, die auch zu einem Vogel passten. Für Maxine war Carlotta kein Wunder der Natur, weil sie durch eine menschliche Manipulation entstanden war, aber sie war trotzdem zu einem sehr menschlichen und auch liebenswerten Geschöpf geworden, das einem anderen kein Le id zufügen konnte.
    Maxine wollte nicht, dass ihr dieses Kind genommen wurde, auch nicht durch diesen verfluchten Riesenvogel, der Menschen schluckte wie andere Vögel ihre Körner.
    »Max, ich hatte so große Angst«, flüsterte Carlotta.
    »Ja, ja, das glaube ich dir.« Maxine brachte ihre Lippen dicht an Carlottas rechtes Ohr. »Aber jetzt bin ich bei dir, Kind, und du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wirklich nicht, du… du…«, ihre Stimme versagte, weil ihr bewusst geworden war, dass sie gelogen hatte, denn die Angst würde bestehen bleiben.
    Sie war wie ein Fluch, der sie erreicht hatte und der noch immer in ihrer Nähe kreiste.
    Maxine hielt ihren Schützling fest, aber sie merkte auch, dass etwas Kaltes ihren Rücken entlang nach unten kroch. Eine Gänsehaut, die sich wie ein kaltes Schneegeriesel anfühlte.
    »Warte einen Moment«, flüsterte sie und schob Carlotta zurück, um selbst mehr Bewegungsfreiheit zu haben.
    Sie traute sich kaum, in die Höhe zu schauen und blickte auch zuerst nach unten.
    Der helle Sand bewegte sich. Das glaubte sie im ersten Moment, aber es war nicht der Fall, denn es bewegte sich etwas über den erstarrten Wellen des Sandes hinweg, und es war auch kein dreidimensionales Gebilde, das sie hätte anfassen können, sondern ein Schatten, der aus der Dunkelheit von oben herab auf den Strand fiel und dort ständig neue Figuren bildete, als wäre ein Künstler mit zehn Händen dabei, seine rasende Schaffensperiode zu überwinden.
    Maxine hielt Carlotta zwar nicht mehr umarmt, aber sie hatte sie auch nicht losge lassen und hielt sie an der rechten Hand fest. »Jetzt bin ich ja bei dir. Keine Sorge, Carlotta, es wird dir nichts passieren.«
    Es waren Worte, die auch ihr Mut machten, und den brauchte Maxine auch, denn sie wusste genau, von wem dieser verdammte Schatten stammte. Es gab nur einen, der ihn warf und der jetzt hoch über ihnen schwebte, aber nicht so hoch, als dass sie den Wind nicht gespürt hätten, den die Flügelschläge verursachten.
    Die Tierärztin zitterte mehr innerlich. Nach außen hin riss sie sich zusammen, und erst jetzt brachte sie den Mut auf, sehr langsam den Kopf zu heben.
    Der erste Blick gegen den Himmel reichte. Die Sterne sah sie nicht, dafür den mächtigen Körper des Riesenvogels. Sie erschrak zutiefst, denn aus der Nähe sah der Vogel noch größer aus als sie es gedacht hatte. Er war wirklich ein Phänomen, und besonders interessierte sie der leicht gebogene Schnabel, der so weit offen stand, dass in diese Lücke auch ein Mensch hineingepasst hätte.
    Maxine erschauerte. Der Vogel zog seine Kreise und glotzte aus seinen kalten Augen auf sie nieder, während die Blonde nicht mehr auf seinem Rücken saß, denn sie hatte sich hingestellt, hielt den Blick ebenfalls gesenkt und drohte dabei mit ihrem Schwert, dessen Klinge einen so hellen Glanz besaß, als bestünde sie aus Glas.
    Maxine und ihr Schützling saßen in der Klemme. Die Tierärztin wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die schnell aufgaben oder Angst zeigten. Sie war auch noch nie vor einem Problem geflohen, doch hier in der dunklen Nacht, an einer einsamen Stelle des Strands, umgeben von einer realen und doch irrealen Gefahr, da kam ihr schon der Gedanke an Flucht.
    Wie sollte sie fliehen?
    Mit Carlotta und ihrer Hilfe? Unter normalen Umständen wäre dies gegangen, denn das Vogelmädchen war kräftig genug, um auch noch einen zweiten Körper
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