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1204 - Der Häuter

1204 - Der Häuter

Titel: 1204 - Der Häuter
Autoren: Jason Dark
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die 30 sein. Das braune dichte Haar hatte sie nach hinten gekämmt und im Nacken zusammengebunden. Sie trug eine Bluse aus dickem Stoff und hatte eine Lederweste übergestreift. Eine Brille war hoch in die Stirn bis zum Haaransatz geschoben worden. Ein schmales Gesicht mit einer etwas knochigen Nase fiel mir noch auf.
    »Guten Abend«, grüßte ich.
    Sie nickte uns zu und fragte: »Sie wünschen?«
    »Eigentlich hätten wir gern den Chef gesprochen.«
    »Der ist beschäftigt.« Sie lächelte jetzt, wodurch ihr Gesicht weiblicher wirkte. »Die eine Hälfte des Chefs bin ich. Ich heiße Mona Navis. Clive ist mein Mann.«
    »Ah, so ist das.«
    »Möchten Sie sich einen Grabstein aussuchen?« Mit den folgenden Sätzen relativierte sie sich selbst. »Sollte das der Fall sein, würde ich Ihnen raten, uns morgen wieder zu besuchen. Da ist das Licht besser. Ich weiß, wovon ich rede.«
    »Kann es sein, dass wir draußen noch Kunden gesehen haben?«, fragte Suko.
    »Es sind die letzten für heute.« Sie hob die Schultern. »Sie waren angemeldet, aber der Termin hatte sich etwas verzögert. Deshalb sind sie noch hier.«
    »Eigentlich sind wir nicht hier, um mit Ihnen über Grabsteine zu reden«, fuhr Suko fort.
    »Ach - nein?«
    »So ist es.«
    »Warum sind Sie dann gekommen?«
    »Wir müssen mit Ihrem Mann reden.«
    Mrs. Navis nahm die Brille ab und steckte sie in die rechte Seitentasche ihrer Bluse. Sie lächelte vor sich hin und wies auf zwei leere Stühle. »Ich denke, dass Sie sich setzen sollten. Mein Mann wird gleich kommen.«
    »Danke sehr.«
    Nachdem wir Platz genommen hatten, schaute sie uns misstrauisch an. »Ich möchte Sie nicht in Verlegenheit bringen, aber kann es sein, dass Sie zur Polizei gehören?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte ich.
    »Gewisse Umstände lassen darauf schließen.«
    »Meinen Sie damit den Mord an Mr. Walcott?«
    »Sie sind also Polizisten?«
    »Ja.« Ich stellte Suko und mich vor und wollte der Frau auch meinen Ausweis zeigen, aber sie winkte nur ab.
    »Nein, nein, ich glaube Ihnen auch so. Und ich kann mir denken, weshalb Sie gekommen sind.«
    »Bitte, wir hören.«
    Sie nahm eine Zigarette aus der auf dem Tisch liegenden Schachtel und zündete den Glimmstängel an. Langsam blies sie den Rauch aus. Ihr Gesicht verschwand fast hinter den Schwaden und schien sich aufzulösen.
    »Es geht um den Onkel meines Mannes. Um Ben Navis, den man auch den Häuter nannte.«
    »Genau.«
    »Ihr Name ist mir auch ein Begriff«, erklärte sie lächelnd.
    »John Sinclair. Sie und Ihr Vater sind die Personen gewesen, die Ben Navis damals gestellt haben.«
    »Sehr richtig. Und das auf diesem Grundstück hier.«
    »Ich weiß«, sagte sie zweideutig, bevor sie Asche abstäubte.
    »Jetzt ist wieder ein Mord passiert, der Ähnlichkeit mit den Taten aufweist, die damals passiert sind. So etwas spricht sich bei uns schnell herum. Wir liegen zwar abseits, aber nicht in der Einsamkeit begraben.«
    »Mittlerweile ist ein zweiter Mann brutal getötet worden.«
    »Oh, das wusste ich nicht. Wer?«
    »Walcotts Kollege.«
    Sie schwieg und presste dabei die Lippen zusammen. Erst nachdem sie ein weiteres Mal an ihrer Zigarette gezogen hatte, sprach sie uns wieder an. »Jetzt rechnen Sie natürlich damit oder gehen davon aus, dass es der gleiche Täter gewesen ist.«
    »Das hat sich bestätigt.«
    Die Lippen der Frau kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln. »Wie kann so etwas möglich sein? Dieser Mensch sitzt in der Psychiatrie. Ich habe von keinem Ausbruch gelesen.«
    »Da sitzt er auch noch heute«, sagte Suko.
    »Dann ist doch alles klar.«
    »Wenn es denn der Richtige wäre«, sagte mein Freund. »Wir waren da. Leider sitzt die falsche Person ein. Deshalb gehen wir davon aus, dass der echte Killer noch frei herumläuft.«
    Sie sagte nichts mehr. Sie musste Sukos Erklärung erst verdauen. Wir sahen, dass sie blass wurde.
    »Glauben Sie uns nicht?«
    »Nein. Das ist einfach zu…«
    »Es stimmt aber«, sagte ich. »Wir haben uns mit eigenen Augen davon überzeugt. Ich konnte mich noch verdammt gut erinnern, Mrs. Navis. Sechs Jahre sind zwar eine lange Zeit, aber ich habe das Bild des Killers noch genau im Kopf. Es war der Falsche. Der Onkel Ihres Mannes läuft noch frei herum und hat wieder angefangen zu morden. Es gibt für ihn ein Motiv, über das möchte ich mit Ihnen jetzt nicht reden, weil es für Sie recht unwichtig ist. Uns interessiert natürlich, dass wir ihn fangen. Wir wollen die Taten aufklären,
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