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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin
Autoren: Jo Zybell
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ein Mörder, und er hat sich in kürzester Zeit im Palast eingeschlichen…«
    »Gute Idee, sehr gute Idee…«, hechelte Bolle.
    »… lass Gerüchte streuen: Er wolle die Königin verführen, wolle selbst den Thron besteigen, plane ein Attentat im Auftrag des Königs von Gödenboorg oder des Fürsten von Gedansik. Irgend so etwas. Unsere Leute sollen den Beelinner Pöbel aufhetzen, bis er den Kerl in Stücke reißt. Notfalls lass sie mit Gold nachhelfen. Es müsste mit Orguudoo zugehen, wenn der Nordländer das überlebt!«
    »Gut. Sehr gut«, hörte Rudgaar den Fürsten keuchen.
    »Organisier das, organisier es sofort. Die Delegation soll noch vor Sonnenaufgang losmarschieren…!«
    Dann erklang das Geräusch einer sich öffnenden Tür, Siimns Rollstuhl schrammte über den Boden, die Tür fiel wieder ins Schloss.
    »Da ist noch etwas.« Plötzlich sprach Rotaa so leise, dass Rudgaar sich konzentrieren musste, um zu verstehen. »Meister Johaan hat einen Spion an deinem Hof.«
    Rudgaar stockte der Atem. Eiskalt fuhr es ihm in alle Glieder.
    »Wer?«, fragte der Fürst.
    »Rudgaar, der Hundemeister.«
    So rasch er konnte, zog Rudgaar sich aus dem Gang zurück.
    Er verschloss die Geheimtür, verließ den Zwingertrakt, rannte über den Kasernenhof und machte seine beiden Doyzdogger unter dem Torbogen los. Er unterdrückte den Drang zur Eile, während er die Hunde zum Tor führte. Anstandslos ließen die Wachen ihn hinaus.
    Zum letzten Mal verließ er die Mauern Pottsdams als geachteter Mann, er machte sich nichts vor. Sollte er je wieder dieses Tor durchqueren, dann, um einen Kopf kürzer im Wald verscharrt zu werden.
    Wenig später schloss er die Tür der Hundekoppel hinter sich. Er gürtete sich ein Schwert um, schlüpfte in seinen schweren schwarzen Ledermantel, schulterte Köcher und Armbrust. Den alten Greif und die Leithündin nahm er an die Leinen. Durch Geheimluken, die nur er und Tilmo kannten, verließ er die Koppel. Seinem besten Fährtenhund hielt er ein Kopfband Tilmos unter die Nase und schickte ihn los. Er selbst spähte Richtung Stadttor, bevor er in den Wald flüchtete.
    Etwa fünfundzwanzig Frekkeuscher- und Andronenreiter verließen eben die Stadt. Fünf scherten aus und steuerten ihre Tiere zur Hundekoppel…
    ***
    Zwischen Beelinn und Pottsdam, Anfang September 2520
    Dreizehn Stunden ununterbrochenen Fluges lagen hinter ihnen. Dreizehn Stunden endlose Wälder, dreizehn Stunden Seenplatten, Flussläufe und Ruinenansammlungen, dreizehn Stunden das monotone Summen des Reaktors.
    Im Morgengrauen hatten sie Minsk überflogen, gegen Mittag kreisten sie über Warschau, und jetzt, noch höchstens anderthalb Stunden von Beelinn entfernt, dämmerte die Nacht herauf. Die Luft war wärmer hier als weiter östlich – 32,9 Grad Celsius zeigte das Display des Außenthermometers an –, dafür aber lange nicht so feucht.
    Captain Benjamin Rudolph steuerte Ark IX inzwischen wieder, Matthew Drax saß nach drei Stunden unruhigen Schlafs vor der Navigationskonsole, und Major Billy behielt die Ortungsinstrumente im Auge. Der Rest der Belegschaft schlief.
    »Da ist was«, sagte Sibyl Sidney. Ihre kurzen Finger flogen über die Instrumente. »Wärmequellen in neun Strich einundzwanzig. Gut zwei Dutzend, würde ich sagen.«
    »Entfernung?«, fragte Rudolph.
    »Dreißig Meilen. Ich versuche mal, ob ich was aufs Panoramadisplay kriege.«
    Ben Rudolph drückte den Tank herunter, bis er knapp über den Baumwipfeln flog. Was immer dreißig Meilen weiter westlich ihren Kurs schnitt, es sollte den EWAT so spät wie möglich entdecken.
    Matt beobachtete die Frontkuppel. Ein paar rötlich blinkende Punkte erschienen auf dem Display.
    Verschwommene Schemen, mehr hatte die Bordhelix aus den Ortungsdaten noch nicht errechnen können. Dreißig Meilen waren mehr als neunundzwanzig Meilen zu viel für exakte Bilder. Immerhin erkannte der Mann aus der Vergangenheit, dass je eine große und eine kleine Wärmequelle wie aneinander geklebt unterwegs waren. »Menschen auf Reitinsekten, schätze ich. Sie nehmen Kurs auf Beelinn.«
    Die Bestätigung lieferte die Bordhelix vierzig Minuten und vierzig Meilen später: Neunzehn Konturen von Frekkeuschern und Andronen samt ihrer Reiter vor dem letzten Rot des Abendhimmels zeichneten sich auf dem Frontdisplay ab.
    Ben Rudolph korrigierte den Kurs. Statt die Fluginsekten-Reiter zu überholen, wollte er einen weiten Bogen um sie schlagen. Der EWAT flog nach Nordwesten. Der Abend dämmerte herauf.
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