Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
die Temperaturen erreichten bereits am späten Vormittag siebenundzwanzig Grad Celsius. Er wartete auf Marilyn Stone, seine Anwältin, deren Büro gleich um die Ecke lag. Sie hatten einen Termin in der Kanzlei von Starlettes Anwalt.
    Starlette hatte die Stadt verlassen, gleich nachdem die ersten Gerüchte über Danny und Laurel aus dem Sheriff’s Department gesickert waren. Starlette hatte die Kinder mitgenommen und war nach Nashville geflogen. Sie hatte gedroht, die Scheidung einzureichen und sich alles zu nehmen, was Danny besaß – sein Geld und seine Kinder. Danny war wie benebelt seit der Nacht, in der Warren Shields gestorben war; deshalb hatte er nicht lange widersprochen. Stattdessen hatte er Marilyn Stone angerufen und sie um Rat gebeten. Sie hatte versprochen, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, damit Danny nicht das Sorgerecht für Michael entzogen wurde, und ihm außerdem in ausreichendem Maß ein Besuchsrecht bei seiner Tochter zu verschaffen. Starlette beschloss, die Scheidung in Mississippi einzureichen anstatt in Tennessee, wo sie und Danny geheiratet hatten, weil in Mississippi immer noch ein Schuldprinzip galt, sodass man für Ehebruch bei der Scheidung in der Regel einen hohen Preis zahlen musste.
    »Danny!«, rief eine Frauenstimme. »Hier drüben!«
    Er blickte die Bank Street hinunter, in der zahlreiche Anwälteihre Kanzleien hatten. Marilyn stand im hellen Sonnenschein auf dem Bürgersteig und sah ganz und gar nicht mehr aus wie die nichtssagende Blondine, die zweimal in der Woche bei ihm Flugunterricht nahm. Sie trug ein navyblaues Kostüm und Lippenstift, und ihr sonst glattes Haar war gelockt. Danny winkte und ging ihr zögernd entgegen. Er fürchtete sich davor, Starlette gegenüberzusitzen – der Frau, die bereit war, ihren Sohn in eine Anstalt einzuweisen, nur um sich an ihrem zukünftigen Ex-Mann zu rächen.
    »Raten Sie mal, was«, sagte Marilyn.
    »Was?«
    »Starlette hat nachgegeben.«
    Er blieb stehen. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Dass sie bereit ist, Ihnen das Sorgerecht für Michael zu übertragen.«
    Danny blinzelte in der Sonne, während er sich bemühte, diese Neuigkeit zu verdauen. »Was soll das heißen? Wann ist das passiert?«
    »Sie ist heute Morgen in Nashville nicht mal ins Flugzeug gestiegen.«
    »Was?«
    Marilyn nickte. »Ich habe es eben erst herausgefunden.«
    »Aber … warum?«
    »Ich würde ja gerne behaupten, dass es daran liegt, dass ich Ihre Interessen so brillant vertreten habe, aber die Wahrheit ist viel einfacher. Drei Wochen als einzige Betreuungsperson Michaels, mehr hat es nicht gebraucht. Als Starlettes Anwalt ihr gesagt hat, dass sie Michael nicht in ein Heim einweisen lassen kann, solange Sie bereit sind, den Jungen zu sich zu nehmen, hat sie nachgegeben.«
    Danny wurde schwindlig, als die wochenlange Anspannung sich mit einem Mal löste.
    »Das kriegen Sie aber nicht umsonst«, warnte Marilyn. »So viel Glück hat niemand.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie werden einen Preis dafür zahlen müssen, dass Starlette Ihnen Michael überlässt. Einen sehr hohen Preis.«
    Danny zuckte die Schultern. »Und wenn schon.«
    »Sie will Ihre Anteile aus Ihrer letzten Ölquelle. Sämtliche Anteile.«
    Danny schaukelte auf den Fersen. Er wollte lieber nicht nachrechnen, wie viel sein Anteil bei sechzig Dollar pro Barrel wert war. Was immer er an finanzieller Sicherheit besessen hatte – nun war es verschwunden. »Okay«, sagte er. »Einverstanden.«
    Marilyn legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie. »Ich habe bereits in Ihrem Namen zugestimmt.«
    Er lachte melancholisch. »Sie kennen mich ziemlich gut.«
    »Ein potentieller Mandant hat mir mal gesagt, er hätte gehört, eine Scheidung sei kostspielig. Ich erwiderte, dass sie sogar sehr kostspielig sei. Als er mich fragte warum, antwortete ich mit Worten, die ein anderer Mandant einmal zu mir gesagt hatte: ›Weil sie es wert ist.‹«
    Danny hatte immer noch Mühe, sich in Raum und Zeit wiederzufinden. »Wann kommt Michael zu mir?«
    »Starlette setzt ihn in ungefähr einer Stunde an Bord einer Maschine der Continental. Sie können ihn um achtzehn Uhr dreiundfünfzig am Baton Rouge Airport abholen.«
    Danny beschloss, ein Flugzeug zu mieten – es war zwar nicht weit bis nach Baton Rouge, doch Michael liebte das Fliegen mit seinem Dad über alles. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie haben mein Leben verändert, Marilyn. Und Sie haben meinem Sohn das Leben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher