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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers
Autoren: Tom Clancy
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Piazza Campo di Fiori angesehen. Die Miete hatte sich – selbst mit Touristen-aufschlag – durchaus im Rahmen gehalten, aber die Vorstellung, an einen Ort gebunden zu sein, hatte ihn abge-schreckt. In seiner Branche war es besser, flexibel zu bleiben. Solange der Feind nicht wusste, wo man sich aufhielt, konnte er einem nichts anhaben. Den Juden Greengold umzubringen, war schon riskant genug gewesen – für diese Eskapade hatte der Emir ihn persönlich gerügt und ihn zudem ausdrücklich gewarnt, so etwas nie wieder zu tun.
    Was, wenn der Mossad ein Foto von ihm in die Hände bekommen hätte? Dann wäre Mohammed für die Organisation wertlos, hatte der Emir sich ereifert. Das aufbrausende Temperament des Emirs war seinen Mitstreitern hinlänglich bekannt. Folglich waren solche Eigenmächtigkeiten ab sofort tabu. Mohammed trug nicht einmal mehr sein Messer bei sich. Stattdessen bewahrte er es an einem Ehrenplatz auf
    – bei seinem Rasierzeug – und holte es gelegentlich hervor, um das Judenblut an der einklappbaren Klinge zu betrachten.
    Fürs Erste wohnte er also weiter hier, solange er sich in Rom aufhielt. Beim nächsten Mal – nach der bevorstehen-den Reise in seine Heimat – würde er woanders absteigen, vielleicht in dem schönen Hotel an der Fontana di Trevi, obwohl das Excelsior für seine Zwecke günstiger gelegen war. Das Essen hier war fantastisch. Die italienische Küche war vorzüglich und abwechslungsreich, seiner Meinung nach weitaus besser als der monotone Speisezettel seiner Heimat. Nichts gegen Lamm, aber man mochte es nun doch nicht jeden Tag essen. Und hier sahen einen die Leute auch 577

    nicht wie einen Ungläubigen an, wenn man mal einen Schluck Wein trank. Er fragte sich, ob der Prophet, dessen Namen er trug, sich etwas dabei gedacht hatte, als er den Gläubigen aus Honig hergestellte Getränke erlaubte – oder ob er einfach nichts von der Existenz von Met wusste. Während seiner Studienzeit an der Cambridge University hatte er, Mohammed, das Zeug mal versucht, war jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass man dieses Gebräu nur hinun-terbrachte, wenn man sich unbedingt besaufen wollte.
    Selbst der Prophet schien also nicht vollkommen gewesen zu sein. Und auch er selbst war nicht ohne Fehl, rief sich der Terrorist ins Bewusstsein. Aber bei allem, was er für den Glauben auf sich nahm, musste es ihm doch erlaubt sein, gelegentlich etwas vom rechten Pfad abzuweichen. Wenn man unter Ratten lebte, war es von Vorteil, selbst auch ein paar Schnurrhaare zu haben. Als der Kellner kam, um sein Geschirr abzutragen, beschloss Mohammed, auf die Nach-speise zu verzichten. Wenn er seine Tarnung als englischer Geschäftsmann aufrechterhalten und weiter in seine Brioni-Anzüge passen wollte, musste er auf die schlanke Linie achten. Deshalb stand er vom Tisch auf und ging ins Foyer.
    Jack Ryan überlegte, ob er sich an der Bar noch einen Schlummertrunk genehmigen sollte, entschied sich aber dagegen und ging stattdessen ins Foyer. Vor dem Lift wartete bereits ein anderer Mann, der die Kabine als Erster betrat. Als Jack sich vorbeugte, um auf den Knopf für die zweite Etage zu drücken, streiften sich ihre Blicke kurz.
    Gleichzeitig sah Jack, dass der Knopf mit der Zwei bereits leuchtete. Demnach wohnte der gut gekleidete Engländer –
    wie ein solcher sah er zumindest aus – auf derselben Etage wie er selbst…
    … wenn das kein Zufall war…?
    Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis der Lift wieder anhielt und die Tür sich öffnete.
    Das Gebäude des Excelsior war nicht hoch, aber weitläu-578

    fig, und Jack hatte vom Aufzug bis zu seinem Zimmer ein ganzes Stück zu gehen. Als der Mann aus dem Lift dieselbe Richtung einschlug, ließ sich Jack etwas zurückfallen, um ihm in größerem Abstand zu folgen. Tatsächlich – der Mann ging an Jacks Zimmer vorbei und noch eine… zwei…
    Türen weiter. Vor der dritten blieb er stehen. Dann blickte er sich nach Jack um – vielleicht fragte er sich, ob er beschattet wurde. Doch Jack blieb vor seiner eigenen Zimmertür stehen und fischte seinen Schlüssel aus der Tasche.
    Ehe er aufschloss, warf er einen kurzen Blick zu dem anderen Mann hinüber und wünschte ihm in dem beiläufigen, allen Männern bekannten Fremder-zu-Fremdem-Ton eine gute Nacht.
    »Danke, Ihnen auch«, kam die Antwort in distinguiertem englischem Englisch.
    Jack betrat sein Zimmer. Dieser Akzent kam ihm irgendwie bekannt vor… und zwar von den englischen Diplomaten, denen er im Weißen Haus
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