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1197 - Unhold in der Nacht

1197 - Unhold in der Nacht

Titel: 1197 - Unhold in der Nacht
Autoren: Jason Dark
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machte. Sie hatte den Begriff bewusst gewählt, um das Wort Slum zu vermeiden. Ich kannte mich trotzdem aus, denn die Stadt an der Themse war so etwas wie mein Jagdrevier, und bei meiner Arbeit war ich nicht nur auf die vornehmen Plätze und Orte beschränkt.
    Kelly wollte mich hier im Pub treffen. Gegen Mitternacht, wie sie meinte. Da hatte die Kneipe noch offen, denn hier nahm man es mit den Schließzeiten nicht so genau. Außerdem würden die sowieso bald wegfallen. Auch hatte sie mir erklärt, dass sie bestimmte Beweise mitbringen würde. Mir würden die Augen übergehen, was so alles auch hier in London möglich war.
    Durch geschicktes Nachfragen hatte ich herausgefunden, worum es ging.
    Zwei Menschen waren gestorben, zerrissen worden, und Kelly war davon überzeugt, dass daran kein Mensch die Schuld trug, sondern ein Monster, wie immer man es auch anzusehen hatte.
    Ich hatte mich bei den Kollegen erkundigt und erfahren, dass es in einer bestimmten Gegend von Southwark tatsächlich zwei Tote gegeben hatte, deren Aussehen darauf hindeutete, dass sie einer Bestie in die Krallen gefallen waren. Weit waren die Kollegen mit ihrer Suche nach dem Mörder nicht gekommen. Es hatte keine guten Zeugen gegeben, nur Vermutungen. Die Menschen hatten davon gesprochen, dass ein Tier unterwegs sei und irgendwo ausgebrochen sein müsse.
    Aus einem Zoo oder einem Wanderzirkus. Die eigentlichen Ermittlungen jedoch konzentrierten sich auf gefährliche Kampfhunde, aber da mussten noch die entsprechenden Beweise gefunden werden.
    Anscheinend wusste Kelly O'Brien mehr, aber sie hatte mich noch im Unklaren gelassen, weil sie mir Beweise präsentieren wollte.
    Ich machte mir Sorgen um sie. Kelly O'Brien war eine junge Frau, die gern mit beiden Beinen in das tiefe Wasser sprang und nicht darüber nachdachte, ob sie nun schwimmen konnte oder nicht. Um sich durchzuschlagen und auch richtig Geld zu verdienen, war sie stets auf der Jagd nach dem ultimativen Foto. Nur wer besser war als andere, konnte richtig Kohle verdienen.
    Ich saß an der Theke. Im Hintergrund hockten die Gäste an Tischen, die auf einem Holzboden standen, der ruhig mal hätte gesäubert werden können.
    Unter den Gästen war ich wohl der Einzige, der Wasser trank, was die Wirtin nicht nachvollziehen konnte, denn sie schüttelte immer wieder den Kopf, wenn sie sah, dass ich einen Schluck nahm. Ich saß in der Ecke und konnte fast die gesamte Kneipe überblicken.
    Viel war nicht zu sehen. Der Rauch zahlreicher Zigaretten, Zigarren und auch Pfeifen hatte einen dicken Nebel gebildet. Wegen der Kühle war die Eingangstür geschlossen, und ein sich müde bewegender Ventilator quirlte den Mief nur durcheinander. Vertreiben konnte er ihn nicht.
    Als ich mir die dritte Flasche Wasser bestellte - diesmal ohne Kohlensäure -, blieb die Wirtin vor mir stehen und schüttelte den Kopf. »Leben Sie immer so gesund?«
    »Nur manchmal.«
    »Aha.« Sie lächelte mich an. Ich schätzte sie auf 50 Jahre, aber sie war gut dabei. Sie trug einen schwarzen, kurzärmeligen Pullover mit einem tiefen Dreiecks-Ausschnitt, aus dem die Ansätze ihrer mächtigen Brüste hervorschauten. So schwarz wie das Oberteil war auch das gefärbte Haar. Sie hatte es toupiert. Da fiel keine einzige Strähne in die Stirn, vielleicht sah deshalb das stark geschminkte Gesicht so übergroß aus. Schminke musste sie auch einsetzen, denn das harte Leben hatte schon seine Spuren hinterlassen. Am rechten Mundwinkel war die Schminke etwas verlaufen. In den Ohrläppchen schimmerten mehrere kleine Ringe.
    »Was will man machen«, sagte ich.
    »Krank?«
    Ich schüttelte den Kopf und goss Wasser in mein Glas. »Nein, das auf keinen Fall. Auch nicht bei diesem Wetter.«
    Da ihr Mann, ein glatzköpfiger Herkules, zapfte und auch bediente, fand sie Zeit, sich mit mir zu unterhalten. Ich war ihr schon aufgefallen, denn die ganze Zeit über hatte sie mir verstohlene Blicke zugeworfen.
    Jetzt steckte sie sich eine Zigarette mit weißem Filterstück in den Mund, und ich gab ihr Feuer. Sie blies den Rauch aus dem linken Mundwinkel hinein in den anderen und zeigte mir ein misstrauisches Lächeln.
    »Ist was?« fragte ich.
    »Nicht wirklich, Mister. Ich bin nur dabei, über Sie nachzudenken, wenn Sie verstehen.«
    »Aha. Und zu welch einem Ergebnis sind Sie gekommen?«
    »Das ist leicht. Ich habe Sie bei uns noch nie gesehen. Sie sind auch kein normaler Gast wie die anderen hier, die ich alle kenne, weil sie in der Umgebung wohnen. Und
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