1185 - Im Schloss der Skelette
Stich ins Bläuliche.«
»Will das Kreuz uns davor warnen, den Stollen zu betreten?«
»Das glaube ich nicht.«
»Dann weiß ich nicht mehr weiter.«
Gut gesagt, denn auch ich hatte so meine Probleme. Aber es gab auch andere Dinge, die mich störten, und die waren realer. Ich vermisste den Abbé und auch Lucien. Auf dem Weg hier zum Schloss hatte ich den abgestellten Wagen gesehen. Meiner Begleiterin war das Fahrzeug nicht aufgefallen, und ich hatte nichts von meiner Entdeckung erwähnt. Jetzt aber machte ich mir Sorgen um den Abbé.
Ohne den Beweis zu haben, ging ich davon aus, dass er den Stollen betreten hatte, zusammen mit Lucien, und dass die beiden irgendwo verschwunden waren.
Eine derartige farbliche Veränderung meines Kreuzes hatte ich noch nie zuvor erlebt, und dies war nicht von ungefähr passiert. Der Grund dafür musste einfach in diesem verdammten Stollen vor uns liegen.
Mein Blick glitt hinein.
Zu dunkel!
Aber irgendwo in der Tiefe musste das Grauen hausen. Da versteckten sich die Skelette.
Hatten sie das Kreuz manipuliert?
Seltsamerweise konnte ich daran nicht glauben. Ich betrachtete die Farbe und wusste genau, wie nahe ich der Lösung war. So wie mir konnte es auch einem Schüler ergehen, der über sehr wichtige Aufgaben nachgrübelt, die Lösung praktisch vor sich sieht, sie jedoch noch nicht fassen kann und auf den berühmten Blitzschlag wartet, der ihn weiterbringt.
Ich stand dicht davor.
Mein Gott, die Farbe!
Ich kannte sie doch. Sie war mir nicht neu. Ich hatte sie nicht erst einmal gesehen.
Sicherlich gab es Menschen, die bei einer Lösung laut vor Freude gejubelt hätten. Ich dagegen hielt mich zurück, aber ich wusste endlich, aus welchem Grund sich mein Kreuz verändert hatte.
Diese Farbe war identisch mit der des Würfels!
***
Es gab die verdammten Skelette noch, aber der Abbé kümmerte sich nicht mehr um sie. Er hatte seinen Platz auf dem harten Boden eingenommen und bewegte sich um keinen Millimeter zur Seite.
Er saß auch nicht aufrecht, sondern hielt den Kopf gesenkt, und seine Blick waren starr auf eine Seite des Würfels gerichtet, während er sich völlig konzentrierte.
In seiner Nähe passierte nichts. Auch die unheimlichen Wärter bewegten sich nicht zur Seite. Für sie war die Situation fremd. Niemand gab ihnen einen Rat, und selbst die eigenen Geister ließen sie im Stich. Fast wie Ringe wehten die Ektoplasma-Wolken um ihre hässlichen Schädel herum.
Bloch war tief eingesunken in den Zustand der Meditation. Für ihn war einzig und allein der Würfel wichtig. Er hatte den Eindruck, dass er nie zuvor so wichtig gewesen war wie in diesen Augenblikken, in denen der Begriff Zeit nicht mehr existierte.
Der Abbé fühlte sich wie ein Geist. Der Körper war für ihn nicht mehr vorhanden. Es hätte ihn auch nicht gewundert, wenn es ihn plötzlich vom Boden abgehoben hätte, sodass er in der Lage war, durch den Stollen zu schweben.
Irdische Gesetze hatten sich aufgelöst. Es gab nur noch ihn und den Würfel.
Der Templer schaffte es. Ein Strom der Erleuchtung schoss durch seinen Körper, als er sah, was sich innerhalb des Würfels abspielte. Die dunkle Farbe blieb, doch aus ihr hervor tauchten die hellen Schlieren auf, die so etwas wie Katalysatoren waren und später Verbindungen zu anderen Dingen herstellten. Sie sorgten dafür, dass der Abbé durch den Würfel »sehen« konnte. Er wusste nicht, was er zu Gesicht bekam und konnte nur darauf hoffen, eine so gute Lösung zu erhalten, die ihn am Leben hielt.
Die Schlieren wanderten durch den Würfel. Gelblich und auch weiß hoben sie sich von der dunklen Fläche und von der tintig wirkenden Farbe ab.
Um den Würfel herum musste eine geheimnisvolle und zugleich starke Aura schimmern, die dafür sorgte, dass selbst diese Baphomet-Diener in Schach gehalten wurden. Sie hatten den Abbé und zugleich ihre Waffen vergessen und schienen sich in der absoluten Stille aufgelöst zu haben.
Bloch, dessen Rücken gekrümmt und dessen Kopf vorgebeugt war, konnte seinen Blick einfach nicht von der Oberfläche lösen. Er verfolgte den Weg der hellen Schlieren und wartete gespannt darauf, dass sie ihm die Lösung zeigten. Es musste einfach eine geben, ansonsten wären sie nicht erschienen.
Gespannt beobachtete der Templer, was da im Würfel passierte.
Aus dem violetten Dunkel hervor schob sich etwas in die Höhe. Es war noch nicht zu erkennen, aber es hatte nichts mit den Schlieren zu tun, die sich nach wie vor bewegten und sich
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