1185 - Im Schloss der Skelette
konnte ich mir vorstellen, wie er sich verhalten hatte. Eingesunken in seine Trance. Er hatte versucht, etwas in Bewegung zu setzen, und es war ihm gelungen, diesen Weg zu finden.
Gemeinsam waren wir stark!
Ich musste auf Claudine Gatz seltsam gewirkt haben, denn sie sprach mich mit leiser, zittriger.
Stimme an. »John, fehlt Ihnen etwas?«
»Nein, im Moment nicht. Auch wenn Sie das nicht so sehen, aber es geht mir gut.«
»Wunderbar…«
Ich schaute sie an. Ihr Gesichtsausdruck redete eine andere Sprache. Ihm sah ich an, dass Claudine überfordert war. Kein Wunder. Selbst ich hatte dies kaum begriffen, weil es immer wieder Wege und Verbindungen gab, die auch mir verschlossen blieben.
»Wie geht es denn jetzt weiter?«, fragte sie und sah plötzlich so hilflos aus.
»Ich werde in dieses Schloss gehen.«
»Allein?«
»Wollen Sie mit?«
»Nein, oder ja…«
»Sie bleiben hier, Claudine. Es wird am besten sein, wenn Sie sich verstecken.«
Das hatte sie verstanden, doch sie zeigte auch, dass sie sich Sorgen um mich machte. »Bitte, John, in diesem Stollen lauern Gefahren und…«
»Keine Sorge, ich bin gerüstet.«
Sie sagte nichts mehr und warf nur dem Kreuz einen längeren Blick zu. Genau das war wichtig.
Damit hatte sie bewiesen, dass auch sie Vertrauen darin setzte.
Ich lächelte ihr zu.
Sie nickte und flüsterte: »Lange habe ich nicht mehr gebetet. Oder so wie man als Kind betet. Ich glaube, jetzt werde ich es für Sie tun, John…«
»Das kann nie schaden«, erwiderte ich und bedankte mich noch mit einem Lächeln bei ihr.
Anschließend aber gab es nur noch dieses Schloss für mich…
***
Nein, es war kein Schloss. Es war ein - wenn man so will - Potemkinsches Dorf, denn nach der Fassade des Eingangs öffnete sich sofort dieser Tunnel oder Stollen, der tief in einen Hang hineinführte.
Draußen war es kühl, aber es wurde noch kühler um mich herum, als ich in den Stollen hineinging.
Schon beim ersten Schritt war auch die nächste Veränderung zu spüren, allerdings nicht zu sehen, denn um mich herum befand sich etwas, das ein ungewöhnliches Kribbeln auf meiner Haut verursachte.
Es war eine ungewöhnliche Kälte, die eigentlich nicht aus dieser Welt stammen konnte.
War das die Kälte des Todes?
Ich erlebte sie, aber ich erlebte auch, dass sie gegen eine Grenze prallte, die das Kreuz aufgebaut hatte. Sie wich von mir weg, je weiter ich in die Finsternis des Stollens hineinging. Es gelang mir, meinen Weg fortzusetzen, ohne gestört zu werden, und so drang ich tiefer in diese unheimliche Welt ein.
Wenn ich meine eigenen Schrittgeräusche außer Acht ließ, war trotzdem etwas zu hören. Vor mir in der Dunkelheit bewegte es sich, kam aber nicht näher.
Ich verharrte.
Wieder holte ich meine kleine Leuchte hervor.
Der Strahl schnitt ein spitzwinkliges Dreieck in die Finsternis. Es gab keine Wand, die ihn aufhielt.
Er traf genau und sehr direkt das Ziel.
Bisher hatte ich nur eines dieser lebenden Skelette gesehen, jetzt aber malten sich vier davon im Licht meiner Lampe ab. Der Lichtstrahl war breit genug, um alle zu treffen.
Meinen Augen bot sich ein schauriges Bild.
Das Licht fiel so auf die Gestalten, dass ihre knochigen Schädel erwischt wurden und mir das gelbliche Gebein so vorkam, als würde es von innen her strahlen.
Der Schein traf auch einige Augenhöhlen. Er glitt hinein und erzielte innerhalb dieses Tunnels ein unheimliches Leuchten. Um die Skelette herum trieben schwache Nebelfetzen.
Dass zwei Leichen auf dem Boden lagen, das nahm ich wie nebenbei wahr. Ich nahm an, dass es die Detektive waren, die Bloch engagiert hatte.
Er war auch da.
Aber um ihn kümmerte ich mich nicht. Ich sprach ihn nicht an, für mich waren nur die Skelette interessant, die ich nicht mehr aus dem Licht ließ. Sie waren bewaffnet, und so musste ich damit rechnen, dass sie ihre Waffen auch einsetzten.
Ich schrak zusammen, als ich den dritten Toten sah. Er lag auf dem Bauch. Aus seinem Rücken ragte der Lanzenschaft in die Höhe. Ich hatte Lucien nur kurz als lebenden Menschen gesprochen.
Nun war er ein Opfer der Skelette geworden.
Der Abbé hatte mich längst gesehen, sprach mich jedoch erst an, als ich näher herangekommen war.
»Ich habe es gewusst, John. Der Würfel hat es mir gezeigt. Er baute die Brücke zwischen ihm und deinem wunderbaren Kreuz…«
»Und es hat sogar die Farbe des Würfels angenommen«, erwiderte ich. »Bist du schon angegriffen worden?«
»Nein, John. Sie hätten es tun
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