Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1178 - Die vierte Weisheit

Titel: 1178 - Die vierte Weisheit
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
mitgebracht."
    Mit klammer Hand nahm Perry das Papier entgegen und entfaltete es. Es war die obere Hälfte der ersten Seite einer Zeitung. Vertraute Lettern starrten dem Jungen entgegen: Manchester Evening Herald. Das Datum war der 18. Mai 1941. Eine kalte Hand griff Perry nach dem Herzen, als er die Schlagzeile las: FÜNFJÄHRIGER VERURSACHT DEN TOD SEINER SCHWESTER.
    Die Buchstaben verschwammen ihm vor den Augen, aber soviel wurde ihm klar: Der fünfjährige Perry Rhodan war in das Auto geklettert, das seine Mutter auf dem Fahrweg vor der Garage abgestellt hatte. Der Fahrweg besaß eine nicht unbedeutende Neigung, und als der Junge die Handbremse löste, begann das Auto zu rollen. Dort, wo der Fahrweg in die Straße mündete, spielte die dreieinhalbjährige Deborah Rhodan. Der Wagen rollte über sie hinweg und kam erst im Gebüsch auf der anderen Seite der Straße zum Halten. Die kleine Deborah starb zwei Stunden später im örtlichen Krankenhaus.
    Der Junge empfand eine entsetzliche Leere. Der Schock war so intensiv, daß seine Wirkung nicht nur die Seele, sondern auch den Körper erfaßte. Perry wurde übel. Fast hätte er sich übergeben.
    Das also war des Rätsels Lösung! Deswegen war zu Hause über Deborah nie gesprochen worden. Man wollte ihm nicht weh tun. Als er damals, vor sieben Jahren, gewahr wurde, was er angerichtet hatte, mußte in seinem Bewußtsein eine Art Sicherung durchgebrannt sein. Er erinnerte sich nicht mehr an den Vorgang. Vater und Mutter empfanden die Gedächtnislücke wahrscheinlich als Segen und hüteten sich, durch unbedachtes Gerede wieder zum Vorschein zu bringen, was ein gnädiges Schicksal in der Tiefe des Unterbewußtseins vergraben hatte. Jetzt verstand er alles! Er selbst war es gewesen, der Deborah umgebracht hatte. Man mochte argumentieren, daß er es nicht mit Absicht getan hatte, daß Debbies Tod das Resultat eines Unfalls sei - es machte keinen Unterschied: Das Blut der Schwester klebte an seinen Fingern.
    Gene beugte sich nach vorne und nahm ihm das Stück Zeitung aus der Hand. Er faltete es sorgfältig zusammen und schob es wieder in die Tasche.
    „So, jetzt weißt du's", brummte er befriedigt. „Über uns mag man sagen, was man will.
    Wir haben ein paar Dinge gedreht, mit denen das Gesetz nicht einverstanden ist. Aber umgebracht haben wir noch niemand. Daran solltest du dich erinnern, wenn dich wieder mal der Hochmut packt."
    Er stand auf und ging zum Fenster. Langsam und vorsichtig, so daß kein Geräusch entstand, schob er die untere Hälfte des Fensterrahmens nach oben.
    „Dir ist jetzt klar, woran wir miteinander sind", sagte er. „Ein Mucks von dir, und die fette Mammy wird abgeholt. Wir setzen uns wieder mit dir in Verbindung - an einem Ort und zu einer Zeit, wenn du am wenigsten mit uns rechnest. Uns interessiert in der Hauptsache, was Colonel Malone tut, wann er arbeitet, wohin er geht oder fährt, mit wem er Kontakt hat und so weiter. Halt die Augen und Ohren offen, Junge. Wenn wir dich das nächste Mal ansprechen, wollen wir eine Menge Informationen haben. Klar?"
    Perry nickte. Zum Sprechen hatte er keine Kraft mehr. Gene kletterte durch das offene Fenster. Der Junge hörte das leise Scharren, als er den Fensterrahmen wieder nach unten drückte.
    Dann war Stille.
     
    *
     
    In dieser Nacht träumte Perry von dem Wesen, das in der großen Kuppelhalle zu ihm gesprochen hatte. Aber diesmal befand er sich nicht in der Kuppel, sondern er schwebte mitten im All, von Tausenden von Sternen umgeben.
    „Widerstehe den Verführern", sagte die Stimme des Unsichtbaren. „Sie locken dich mit Falschheit."
    Die Verzweiflung, die der sieben Jahre alte Zeitungsartikel ausgelöst hatte, war Perry in den Traum gefolgt.
    „Was macht es für einen Unterschied?" antwortete er niedergeschlagen. „Ich bin ein Verdammter. Ich habe einen Menschen getötet."
    „Bist du sicher?"
    „Ja."
    „Sei nicht voreilig, Junge", warnte die Stimme. „Verschaffe dir Gewißheit."
    „Es hat keinen Zweck..." stöhnte Perry.
    Der Unbekannte meldete sich nicht mehr.
    Am nächsten Morgen hätte er gern den Kranken gespielt, um nur in seinem Zimmer bleiben zu können und niemand ins Gesicht sehen zu müssen. Aber Belinda kannte kein Erbarmen. Sie donnerte gegen die Tür und rief: „Wer wird schon seinen eigenen Geburtstag verschlafen? Raus aus den Federn, mein Honigjunge, bevor der Kuchen kalt wird!"
    Perry machte oberflächlich Toilette. Der Frühstückstisch war nicht, wie üblich, in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher