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1174 - Blut für Ludmilla

1174 - Blut für Ludmilla

Titel: 1174 - Blut für Ludmilla
Autoren: Jason Dark
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müssen, und es drehte sich auch niemand dem Sprecher zu. Einige hielten ihre Blicke gegen den Himmel gerichtet, als wäre die Stimme von dort gekommen, aber das traf nicht zu.
    Der Mann, der gesprochen hatte, wartete außerhalb des Lichtscheins. Er war deshalb nicht zu sehen, wohl aber zu hören, denn er ließ wieder seine Stimme erklingen.
    »Habt ihr mich nicht gehört? Sie ist keine Heilige. Sie ist ein verfluchtes Monster. Sie hätte längst verwest sein müssen, doch das ist sie nicht.«
    »Heilige verwesen nicht!«, schrie Ivo Lasic. »Wenn du das nicht gewusst haben solltest, dann weißt du es jetzt!«
    »Nein, du irrst dich! Auch Monster können den Tod überdauern!« Der Sprecher lachte auf wie jemand, der sich seiner Sache sehr sicher war. Erst danach ging er weiter. Da es wieder still geworden war, hörten sie auch seine Schritte.
    Erst jetzt kam Bewegung in die Menschen. Die ersten drehten sich in die Richtung, aus der der Mann kam. Noch hatte er das Licht nicht erreicht, aber ein bis zum Boden hinunter flackerndes Wetterleuchten strahlte ihn für einen Moment an.
    Jeder sah, dass es ein Fremder war. Er gehörte nicht zum Dorf. Er war auch nicht mehr jung. Er ging gebeugt. Möglicherweise sah er deshalb so klein aus. Sein graues Haar fiel bis über die Ohren. Das Gesicht war nicht so genau im Schein des Kerzenlichts zu erkennen, aber der Oberlippenbart fiel trotzdem auf. Der Fremde trug eine Hose, ein Hemd und eine Jacke, die er nicht geschlossen hatte.
    An seinen Füßen klebte der Schmutz. Ein Zeichen, dass er lange gewandert war.
    Es war, als ginge von ihm etwas aus, das den anderen Respekt einflößte, denn sie traten zur Seite, um den Fremden in die Nähe des Sarges kommen zu lassen.
    Er ließ seine Blicke schweifen. Jeder Bewohner kam sich vor wie von einem prüfenden Kontakt getroffen, als wollte er bis auf den Grund ihrer Seelen schauen.
    Schließlich blieb der Fremde stehen. So dicht am Sarg, dass er hineinschauen konnte, was er auch tat. Keiner störte ihn. Er hatte Zeit, sich die nicht verweste Gestalt lange genug anzusehen.
    Schließlich hob er den Kopf und nickte. »Ja«, sagte er so laut, dass alle es hören konnten. »Sie ist es. Sie ist es und keine andere Person.«
    Ivo Lasic, der sich als Wortführer fühlte, schüttelte den Kopf. »He, was redest du da für einen Unsinn?«
    »Es ist die Wahrheit!«
    Ivo lachte. »Die Wahrheit, wie? Schau dir die Wahrheit doch an. Da liegt sie. Die Wahrheit ist eine wunderschöne Frau, die nicht verwest ist. Sie ist eine Heilige. Unsere Heilige. Sie ist so etwas wie ein zweites Wunder von Lourdes. Und dieser Ort wird weltberühmt werden, das kann ich dir versprechen.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Das kann sein, aber er wird auf eine andere und traurige Art und Weise berühmt werden, daran solltest du denken.«
    »Ach so? Auf welche denn?«
    »Sie ist ein Monster!«, wiederholte der Ankömmling. Sein Blick, mit dem er die Leiche betrachtete, war hart und kalt.
    Ivo atmete scharf ein. »Woher nimmst du überhaupt die Frechheit, so etwas zu behaupten?«
    »Weil ich Bescheid weiß.«
    »Toll!«, rief Ivo und lachte die Umstehenden an. »Habt ihr gehört? Er weiß Bescheid. Wer bist du überhaupt, du toller Bescheidwisser? Wie heißt du?«
    Der Mann mit dem grauen Haar hob den Kopf an. Dabei drehte er sich herum, um allen in die Gesichter schauen zu können. »Ich heiße Marek, Frantisek Marek, versteht ihr?«
    Wenn sie verstanden hatten, so gaben sie das zumindest nicht zu verstehen.
    »Na und?«, blaffte Ivo.
    »Weißt du, wie eure Heilige heißt?«
    »Klar. Ludmilla.«
    »Weiter!«
    »Ludmilla Marek!«
    »Aha. Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Ludmilla Marek. Ich bin Frantisek Marek. Diese verfluchte Ludmilla ist meine Ahnherrin. Sie ist keine Heilige, sie ist ein Monster. Sie ist ein Vampir. Und nur deshalb hat sie überleben können…«
    ***
    Es war die nächste Wahrheit, die die Menschen schockierte und sie zum Schweigen brachte. Selbst Ivo Lasic hatte es die Sprache verschlagen. Er biss sich auf die Lippen, er holte schnaufend durch die Nase Luft und suchte Unterstützung bei den Menschen aus dem Dorf. Er bekam sie nicht, denn keiner wusste, was hier noch gesagt werden konnte. Sie kamen sich vor wie aus der Hitze in eiskaltes Wasser gestellt, und jeder hier wusste auch, was es hieß, wenn jemand behauptete, einen Vampir gesehen zu haben.
    Der Glaube an die Blutsauger lebte in den einsamen Karpatentälern seit Jahrhunderten. Auch in
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