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1133 - Der Mönch mit den Totenaugen

1133 - Der Mönch mit den Totenaugen

Titel: 1133 - Der Mönch mit den Totenaugen
Autoren: Jason Dark
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heckenartige Gewächse bildeten Schutz bis hin zum Schilfgürtel am Ufer.
    Ihn durchbrach sie.
    Hinter ihr schrieen die Mönche noch wilder, aber sie hörte keine Schritte. Sie bewegte sich mühsam durch das Wasser. Sie räumte Hindernisse aus dem Weg. Ihre Arme verwandelten sich dabei in schwingende Lanzen. Sie riß schlafende Tiere aus der nächtlichen Ruhe. Vögel flatterten auf. Enten jagten schwimmend und mit den Flügeln schlagend aus ihren Verstecken hervor.
    »Ich schaffe es!« keuchte sie. »Ich schaffe es! Ich bin einfach besser! Ich werde es schaffen, und ich werde es allen zeigen, verdammt noch mal!«
    Dann sah sie das Wasser vor sich liegen. Grün und mit einem bleichen Mondschimmer auf der Oberfläche. Nichts störte sie mehr. Den Schilfgürtel hatte sie durchbrochen.
    Auf dem schlammigen, weichen Grund stieß sie sich ab. Das Wasser klatschte über ihr zusammen, als sie nach dem Sprung eintauchte. Eine dunkle, grüne und trotzdem irgendwie gläserne Brühe hatte ihren Körper umschlungen. Sie schwamm so lange unter Wasser weiter wie sie die Luft anhalten konnte.
    Als die Zigeunerin dann wieder auftauchte, lag das Ufer schon recht weit hinter ihr. Sie trat Wasser, schleuderte die Haare aus der Stirn und blickte zurück.
    Hinter dem Schilf sah sie die Mönche. Sie trauten sich nicht hinein. Sie standen wieder kompakt da und drohten mit den Fäusten. Es war still, nur das Plätschern des Wassers umgab die einsame Schwimmerin, die dann einen Arm mit der zur Faust geballten Hand in die Höhe reckte und den Mönchen drohte.
    »Ich werde mein Kind bekommen!« schrie sie. »Ja, ich werde es austragen…!«
    Die Mönche hörten jedes Wort. Kommentare gaben sie nicht ab. Sie schauten nur auf das Wasser, das bald einen hellen Streifen zeigte, der sich dem anderen Ufer näherte.
    Es war die Fluchtspur einer Zigeunerin…
    ***
    Sie hatten Aslan in die gottlose Zone gebracht!
    So wurde das Verlies im Keller genannt, das nur durch eine schmale Treppe zu erreichen war. Hier war das Mittelalter noch drastisch vorhanden. Es gab nicht einmal Licht. Man mußte sich mit Fackeln oder Kerzen aushelfen, und die Luft in dieser Unterwelt war kaum zu atmen. Ein uralter Gestank durchwehte die Feuchtigkeit, die wie dünne Lappen in der Luft hing.
    Es war auch die Zone des Schweigens, denn bis hinein in diese Tiefe drang kein menschlicher Laut.
    Wer hier gefangen war, für den gab es nur die Einsamkeit, die ihm das Warten auf das endgültige Schicksal vertrieb.
    Aslan saß in völliger Finsternis. Er sah wirklich nicht die berühmte Hand vor Augen, aber kannte sich trotzdem aus, denn er hatte das Verlies mehrmals durchkrochen. Er war mit den Händen an den feuchten und manchmal glitschigen Steinen entlanggefahren. Er hatte sich zwei Fingernägel beim Kratzen an der alten, aber stabilen Holztür abgebrochen und hatte erkennen müssen, daß es für ihn kein Entkommen gab.
    Er war gefangen.
    Er würde es bleiben.
    Seine Mitbrüder kannten einem Verräter gegenüber keine Gnade. Er wußte zwar nicht genau, was mit ihm passierte, aber sie würden ihn verstecken. Sein Leben war gelaufen. Sie würden ihn behandeln wie einen Hund, nein schlimmer. Er würde Nahrung bekommen, ein Paar Stunden Kerzenlicht, er würde sich auch waschen können. Vielleicht würde man ihm hin und wieder etwas zu lesen geben, aber die Welt draußen war für ihn tabu. Aslan war abgeschieden, ausgestoßen - und ein werdender Vater.
    Dieser Gedanke ließ ihn nicht los. Er quälte ihn mehr als alles andere. Er bezweifelte, daß ihn die Frau belogen hatte. Das sagte ihm sein Gefühl.
    Sie hatte ein Kind von ihm gewollt. Er hatte es ihr gegeben. Und er würde es nie sehen. Er würde nicht einmal wissen, ob er später einen Sohn oder eine Tochter hatte. Alles blieb im Dunkel seiner Zukunft verschwunden.
    An die körperlichen Schmerzen, die von seinem Kopf abstrahlten, dachte Aslan nicht mehr. Das andere Gefühl wühlte einfach zu stark in ihm, und er brüllte all seinen Frust und seine Verzweiflung hinaus. So lange, bis seine Stimme überkippte.
    Dann war es vorbei. Sein Schreien verklang in einem Wehklagen. Er senkte den Kopf. Seine Hände legten sich automatisch gegen das Gesicht, denn er wollte die Tränen damit verbergen, die einfach so flossen.
    Schon jetzt hatte er das Zeitgefühl verloren. Er trug auch keine Uhr bei sich. Hier unten merkte niemand, ob draußen die Sonne schien oder der Mond am Himmel stand. Alles blieb gleich. Es gab keine Veränderung. Die Regeln
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