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1115 - Die Tränen des Toten

1115 - Die Tränen des Toten

Titel: 1115 - Die Tränen des Toten
Autoren: Jason Dark
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keine Kraft ein. Eine andere schob ihn hoch, da er sich mit seinen Händen nicht abstützte. In diesem Moment kam er Suko wie eine augenlose Puppe vor, die mit einem Hammer zerschlagen werden konnte.
    Ein Toter, der auf seine Art und Weise lebte. Dazu ein menschliches Skelett in der Wand.
    Wie paßte das zusammen?
    Er war nicht in der Lage, sich einen Reim darauf zu machen. Suko beobachtete weiter. Er sah sich auch nicht in Gefahr - noch nicht, aber der lebende Tote würde seine Gründe haben, um wieder zurück ins Leben zu kehren.
    Er saß jetzt!
    Starr. Keine Bewegung mehr. Eine Plastik. Schwarze Höhlen im Gesicht. Ein geschlossener Mund.
    Dazu Totenstille.
    An der Tür bewegten sich die beiden Aufpasser ebenfalls nicht, sofern sie überhaupt noch da waren.
    Da die lebende Leiche im Moment kein Unheil anrichtete, drehte der Inspektor den Kopf und warf einen Blick auf das Skelett in der Wand. Es war noch da, aber es hatte sich ebenfalls verändert. In den ansonsten leeren Augenhöhlen malten sich jetzt zwei Punkte ab. Rote, blutige Tropfen, wie festgeleimt.
    Lebte es auch?
    Standen Tuma Agashi und das Skelett in einer bestimmten Verbindung? Es mußte so sein, sonst wären nicht beide zur gleichen Zeit erwacht. Der »tote« Tuma Agashi hockte nach wie vor auf seiner Grabplatte. Das Gesicht dem Eingang zugewandt, ohne sich zu bewegen. Und trotzdem wirkte er wie jemand, der Leben in sich einsaugen wollte. Suko dachte daran, was er in den Augenhöhlen gefunden hatte, und er merkte, wie dort gerade etwas geschah.
    Von unten her pumpte eine dicke Flüssigkeit in die Höhe, die auch in die leicht geschlitzten Augenhöhlen hineinglitt und sie ausfüllte. Dunkel und klebrig. Das Zeug blieb nicht dort. Es bekam noch mehr Druck und rann aus den Augenhöhlen hervor.
    In dünnen zittrigen Streifen lief das Blut über das starre Gesicht hinweg. Es gab ihm eine schaurige Bemalung, und die Streifen rannen zuerst über die Lippen hinweg, passierten das Kinn und schafften es, ein Muster auf dem Hals und auf der freiliegenden Schulter zu hinterlassen. Das Blut beschmierte die »Leiche« und sickerte auch hinein in den gelben Stoff der Kutte.
    Wieder drehte Suko seinen Kopf der Wand zu.
    Schon beim ersten Hinsehen durchzuckte es ihn wie der berühmte Blitzschlag.
    Die Wand war leer!
    Es gab kein Skelett mehr. Keine roten Augen. Keine Knochen, die sich abzeichneten. Einfach gar nichts. Eine leere Steinwand, als hätte es das Skelett nie gegeben.
    Suko war wie vor den Kopf geschlagen. Er konzentrierte sich auf die lebende Leiche. Tuma Agashi war nicht mehr still sitzengeblieben. Ohne seine Arme zu Hilfe zu nehmen, gelangte er in eine kniende Haltung und rutschte danach dem Fußende der Grabplatte entgegen. Das Blut klebte an seiner Gestalt. Es rann nicht mehr nach, doch in den Augenhöhlen lag eine Masse, die Suko an Blutschwamm erinnerte.
    Der lebende Tote hatte das Ende der Altarplatte erreicht, kroch darüber hinweg, bewegte sich sicher und leicht rollend, um dann vor der Platte stehenzubleiben.
    Aufrecht. Die Arme und Hände gekreuzt vor die Brust gelegt. Er schaute auf den Ausgang, was nur bedeuten konnte, daß er bereit war, den Weg zu nehmen.
    Die Wand blieb auch weiterhin leer. Es gab kein Skelett mehr. Wenn Suko alles richtig sah, was er erlebt hatte, dann mußte er davon ausgehen, daß es nicht verschwunden war und noch ebenso existierte wie Tuma Agashi. Beide waren zu einer bestimmten Zeit erwacht, und beide wollten wieder ihre Freiheit zurück.
    Noch hatte sich Tuma nicht bewegt. Er wartete. Er veränderte auch seine demütige Haltung nicht und schaute mit seinen blutigen Augen den glatten Boden an.
    Ob er etwas sehen konnte, interessierte Suko nicht. Er befand sich in einer Zwickmühle. Diejenige Person, die ihn hergeschickt hatte, war nicht unbedingt Sir James gewesen, sondern derjenige, der seinem Chef den Auftrag gegeben hatte. Wahrscheinlich wußte er genau, was an diesem Tag passieren würde, und hoffte nur, daß Suko die Befreiung der lebenden Leiche verhinderte.
    Sie behielt ihre demütige Haltung auch weiterhin bei. Sie nahm Suko nicht zur Kenntnis, und der Inspektor überlegte, ob er eingreifen sollte.
    Er hatte es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun. Diese Gestalt war anders. Als Ausgeburt der Hölle wollte er sie auch nicht bezeichnen, aber etwas steckte in ihr, das wie ein Antrieb wirkte und die Mächte des Todes überwunden hatte.
    Suko ging einen großen Schritt nach hinten, um Distanz zwischen sich
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