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1114 - Der Pestmönch

1114 - Der Pestmönch

Titel: 1114 - Der Pestmönch
Autoren: Jason Dark
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es um die Lehne gehängt. Er starrte vor sich hin und strich dabei immer wieder mit der Handfläche über die linke Schulter hinweg.
    Die Bewegung brauchte nicht kommentiert zu werden. Ich wußte auch so, weshalb der Mann das tat. Er mußte den Druck einfach spüren, der sich von innen her ausbreitete und sich langsam an die Oberfläche heranschob. Und irgendwann würde das gesamte Zeug aus ihm herausschießen.
    Er litt.
    Sein Stöhnen war nicht zu überhören. Er hielt auch den Kopf gesenkt und schaute auf die Tischplatte. Sein Mund bewegte sich. Die Lippen schimmerten feucht, weil Speichel daran klebte.
    Ich ließ mein Kreuz noch stecken. Meine Gedanken allerdings drehten sich um die Szene im Krankenhaus, die Suko und ich mit Kate Cameron erlebt hatten.
    Der Mann ließ seine Schulter los. Das weiße Sommerhemd klebte auf der schweißfeuchten Haut wie angeklatscht.
    Weil dies so war, sah ich die Erhöhung an seiner Schulter.
    Das Geschwür war vorhanden.
    Und es brach auf.
    Nur nicht bei ihm.
    Ein anderer Mann in meiner Nähe schoß in die Höhe. Er stand auf, er schrie. Seine Hände bewegten sich und suchten nach einem Halt, den sie nicht fanden. Der Stuhl war hinter ihm zu Boden gekippt, und dann brach die Schulter auf.
    Nicht so stark wie bei Paula. Es gab keinen Blutschwall, der gegen die Decke geschossen wäre.
    Zwar ging das Hemd in Fetzen, zwar blieb eine Wunde zurück, aber aus der Schulter flutschte das, was der Keim hatte wachsen lassen.
    Ich sah einen Hals. Dünn und geschmeidig. Auch feucht schimmernd. Und ich sah den Kopf, der den Abschluß des Halses bildete. Einen sehr schlanken, einen feuchten, mit einem Gesicht, das dem des Mannes ähnelte und trotzdem fratzenhaft verzerrt war. Eine bräunliche Haut, von Falten und Runzeln gezeichnet. Dazu sehr feucht. Das Lachen war nicht zu überhören, und ich wußte nicht, ob der echte Schädel es ausgestoßen hatten oder der zweite, der noch nicht zur Ruhe gekommen war.
    Er bewegte sich hin und her und klatschte immer wieder gegen den echten Kopf.
    Lorenzo war zu Hochform aufgelaufen. Er hatte beide Arme in die Höhe gerissen. »Der erste!« rief er. »Der erste von euch! Seht ihr es? Schaut genau hin. Es dauert nicht mehr lange, dann seid auch ihr an der Reihe!«
    Ich wußte nicht, was ich unternehmen sollte. Der Mann mit dem doppelten Kopf wich aus meiner Nähe zurück. Er ging leicht schaukelnd.
    Dieses Schaukeln übertrug sich auf den Kopf. Das häßliche Gesicht wippte hin und her. Mal vor, auch zurück oder zu den Seiten hin. Immer wieder kam es zu Berührungen mit dem normalen Kopf, und jedesmal hörte ich das Klatschen.
    Die anderen Menschen hatten mich umringt. Sie waren dabei mit sich selbst beschäftigt. Die Hände strichen über ihre Schultern hinweg. Sie glichen dabei hölzernen Marionetten, die nur durch eine fremde Kraft in Bewegung gehalten wurden.
    Ihre Gesichter hatten sich verändert. So wie sie aussahen, mußte ich sie schon als debil ansehen. Der normale Ausdruck war verschwunden. Sie schienen bereits in der anderen Welt gefangen zu sein und warteten auf das Pesterbe.
    Hinter mir hörte ich leise Schritte. Lorenzo hatte seinen Platz verlassen. Er fühlte sich in seinem Element und kam wie ein dunkler Schatten auf mich zu. Begleitet vom Stöhnen der Menschen, die das Unheil nicht mehr zurückhalten konnten.
    Bevor mich Lorenzo erreichte, fuhr ich herum. Dabei zog ich noch in der Bewegung meine Waffe.
    Damit hatte Lorenzo nicht gerechnet. Plötzlich starrte er in die Mündung der Beretta.
    »Das Spiel ist aus!« sagte ich und zielte auf seine Stirn.
    Lorenzo verlor keinen Deut seiner Sicherheit. »Ja, meinst du das wirklich.«
    »Ruf sie zurück!«
    Er lachte.
    Ich wußte, daß es ein frommer Wunsch war. Aber ich hatte einfach etwas tun wollen.
    Er schielte an der Mündung vorbei. »Sinclair, das geht nicht mehr, verstehst du? Ich habe alles in die Wege geleitet, und ab jetzt läßt sich nichts mehr stoppen.«
    Ich brauchte ihn nur anzusehen, um zu wissen, daß er die Wahrheit sagte. Hier hatten andere Mächte die Kontrolle übernommen. Lorenzo ging wieder zurück. Er kümmerte sich nicht um meine Waffe.
    Er fühlte sich wahnsinnig stark und stellte sich sogar zwischen zwei Frauen, um deren Schultern er seine Arme legte. »Ja, Sinclair, ich kann es fühlen. Es ist hier, verstehst du? Hier auf den Schultern. Die Pest-Bazillen haben gewirkt.« Seine Arme schnellten wieder hoch. Wie ein gefährlicher Kasper tanzte er zurück.
    Und es
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