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1097 - Der Tod aus dem Tunnel

1097 - Der Tod aus dem Tunnel

Titel: 1097 - Der Tod aus dem Tunnel
Autoren: Jason Dark
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dort die meisten Menschen drängten.
    Woanders gab es noch tiefe Schatten und eine gewisse Leere.
    Da war dann ihr Revier.
    Natürlich kannten sie auch die Aufpasser. Typen in Zivil, die kontrollierten, aber nicht überall sein konnten. Es fehlte der Stadt an Geld, um sie zu bezahlen.
    An einem Stand oberhalb hatten sich die beiden einen Tee gekauft. Mit den halb gefüllten Bechern waren sie dann in die Tiefe gestiegen und hatten sich einen Platz ausgesucht, der ihnen sehr entgegenkam. Sie standen nicht im Gedränge. Sie hielten sich auch nicht zu weit von ihm entfernt, denn auch dort hätten sie auffallen können. Ihr Platz war mehr am Rand, wo sich die Reisenden allmählich verliefen, um die Unterwelt zu verlassen.
    Es war am Nachmittag schon einiges los. Die Zeit war recht weit fortgeschritten, und es würde nicht mehr lange hell sein. Das wußten sie, und sie wollten den letzten Betrieb noch richtig ausnutzen. Etwa zwei bis drei Stunden war hier alles voll, danach flaute der Verkehr stark ab.
    Nikita war blond, während sein Kumpel Pjotr schwarzes Haar hatte. Über der Oberlippe wuchs ein schmaler Bart, der aussah wie ein gepinselter Streifen. Unter der Unterlippe zeichnete sich eine dunkelrote Narbe ab.
    Erinnerung an eine Glasscherbe, die Pjotr einmal durchs Gesicht gezogen worden war.
    Sie suchten ein Opfer.
    Es war schwer bei diesem Betrieb. Es waren auch zu wenige Touristen unterwegs. Da hatten sie schon einen Blick. Viele Moskauer fuhren mit der Bahn, und bei denen war oft wenig zu holen. Wer wirklich Geld hatte, der leistete sich einen Fahrer oder auch Bodyguards.
    Nach einer Weile frage Nikita: »Was sagt dein Gefühl?«
    »Nichts.«
    »Scheiße, wie?«
    »Ja.«
    »Sollen wir bleiben?«
    »Ich will nicht in die Kälte.«
    Sie schwiegen, bewegten ihre Augen, entdeckten dann zwei Polizisten und sahen zu, daß sie in eine gewisse Deckung kamen. Bei einigen waren sie schon bekannt. Sie wollten den Männern nicht unbedingt in die Arme laufen, denn die fragten nicht lange, sondern griffen gleich zu, ob sie nun etwas getan hatten oder nicht.
    In einer Ecke, in der es nach Urin roch und Papier herumlag, fanden sie sich wieder. Direkt neben ihnen sahen sie eine Eisentür, die allerdings verschlossen war. Hier erreichte sie das Rattern der Züge nicht so.
    Einige Meter weiter befand sich das Loch des Tunnels.
    Sie tranken den letzten Rest Tee und warfen die leeren Becher zu Boden.
    »Ich geh mal schauen«, sagte Nikita.
    »Wohin denn?«
    »Keine Ahnung?«
    »Nach den Bullen?«
    »Auch.« Nikita ließ seinen Freund stehen und drückte sich aus der Nische.
    Pjotr sah ihm nach. Er stellte fest, daß sich sein Freund auf den Rand des verlängerten Bahnsteigs zubewegte und dort stehenblieb. Er drehte den Kopf nach links, um in den Tunnel zu spähen. Wie jemand, der nicht erwarten konnte, daß der Zug endlich kam.
    Pjotr blieb zurück. Sein Standort war zwar nicht ideal, aber auf dem zugigen Bahnsteig hatte er auch nichts verloren. Er überlegte, wie es weitergehen sollte. Sie hatten nicht mehr viel Geld. Für die nächsten beiden Tage würde es noch reichen, dann sah es schlecht aus. Es war auch mies, immer noch von den Kleinigkeiten und von einem Tag auf den anderen zu leben. Die großen Dinge mußten herangeschafft werden. Einmal so einen richtigen Coup landen, das war es doch.
    Davon träumten beide, doch sie wußten auch, daß sie noch nicht gut genug waren. In einigen Jahren vielleicht. So lange mußten sie noch durchhalten. Aber dann, wenn es geschafft war, dann lockte die Südsee.
    Das waren ihre Träume. Die herrliche Sonne, weg vom Moskauer Winter. Palmen, Meer, der Strand und die Weiber.
    Pjotr konnte immer gut träumen. Wenn er die Augen schloß, dann erschienen die Bilder, die er oft genug auf Plakaten gesehen hatte. Da sah er sich als Star, der mit Geld um sich warf, und die anderen Leute hockten zu seinen Füßen.
    So würde es sein.
    Irgendwann…
    Auch jetzt träumte er. Dabei vergaß er seine Umgebung. Die stinkende Nische, den Schmutz in der Nähe, all das Miese, das diese Stadt ausmachte.
    Er hörte schon das Rauschen der Wellen. Er sah den herrlichen Sand und die Blätter der Palmen, die vom Wind bewegt wurden. Das war ein so wunderbarer Traum, und er hoffte, daß Nikita noch etwas fortblieb und ihn nicht störte.
    An seinem linken Ohr summte etwas.
    Pjotr nahm es zunächst so gut wie nicht zur Kenntnis. Er wollte sich nicht stören lassen, aber das Summen blieb und hatte sich sogar noch verstärkt,
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