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1073 - Liebling der Toten

1073 - Liebling der Toten

Titel: 1073 - Liebling der Toten
Autoren: Jason Dark
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gekommen war.
    Noch war alles so fremd und auch recht fern für Hardy, aber er wußte genau, daß er sich dem anderen nähern würde. Seine letzten Erinnerungen waren noch nicht ganz verflogen, sie hatten sich gespeichert, doch Hardy war noch nicht in der Lage, sie abrufen zu können. Er mußte näher und so dicht wie möglich an ihn heran.
    Die letzte und unsichtbare Aura des Toten empfand er wie einen elektrischen Strom, der über seine Haut hinwegglitt. Es kribbelte bei ihm, auf seinem Rücken wechselten sich die Schauer ab, und er spürte auch, daß sich Schweiß auf seinen Handflächen gesammelt hatte.
    Es war still um ihn herum. Der nicht sehr große Raum schien in Watte eingepackt und dadurch noch kleiner geworden zu sein. Die gelbliche Lampe mit dem alten Schirm wirkte wie eine Lichtquelle in einer fernen Welt. Das Licht störte ihn nicht, es machte die Konturen des Gesichts weicher.
    Regungslos lag der Tote vor ihm. Für andere war er tot, für Hardy auch, aber eben anders. Wieder beugte er sich vor. Die Lippen lockten ihn. Lippen waren wichtig bei einem Menschen. Mit den Lippen konnte er fühlen, tasten und küssen. Ein sehr sensibles Gebiet, für Kinder ebenso wichtig wie für Erwachsene.
    Hardy küßte wieder.
    Diesmal stärker und nicht so scheu. Er preßte seine Lippen auf die kalten des Toten, als wollte er die Wärme seines Mundes auf den anderen übertragen.
    Nichts rührte sich bei Kevin, aber Hardy gab nicht auf. Er kannte es. Er brauchte Geduld, viel Geduld, um sein Ziel zu erreichen. Es machte ihm auch nichts aus, daß er einen Toten küßte. Sogar den leichten Salzgeschmack spürte er auf den Lippen. Er war wie eine letzte Erinnerung an das Leben zurückgeblieben.
    Bisher hatte Hardy die Augen noch offengehalten. Er hatte dabei in die starren der Leiche schauen können, nun schloß er die eigenen, denn nichts sollte ihn mehr ablenken.
    Es war fast soweit!
    Der seltsame und leicht warme Strom meldete sich bei ihm. Er durchrieselte ihn, und er spürte ihn in seinem Körper und auch in seinem Kopf. Bei der Leiche schien so etwas wie eine Maschine eingeschaltet worden zu sein, die ihre Informationen bisher zurückgehalten hatte, nun aber in der Lage war, sie weiterzugeben.
    Die Augen hielt Hardy weiterhin geschlossen. Trotzdem »sah« er. Sehr schwach nur, sehr verschwommene Bewegungen, die hin und her wallten und von einem hellen Nebel umgeben wurden. Die Erinnerungen des Toten, die Hardy mehr und mehr hervorholte und die ihn auch glücklich machten. Er konnte es. Er konnte es wieder, und er wollte, daß der verdammte Killer gefaßt wurde.
    Der Nebel wich.
    Bilder schoben sich vor. Hardy behielt den Kontakt mit den Lippen der Leiche, denn er durfte auf keinen Fall unterbrochen werden. Was nun folgte, war überhaupt die wichtigste Phase.
    Die Erinnerungen befanden sich noch im Raum. Sie waren unsichtbar und blieben den Augen eines normalen Menschen verborgen. Nicht aber denen eines Hardy. Er sah, er war plötzlich glücklich und zugleich betrübt, als er erkannte, was Kevin in den letzten Sekunden seines Lebens durchlitten hatte.
    Oder waren es Minuten?
    Hardy wußte es nicht genau. Aber er war einfach fasziniert und schaute zu…
    ***
    Ein Hinterhof. Grau, stickig. Es roch nach Abfall, aber auch nach Menschen, die sich in dieser Umgebung aufhielten. Darunter befand sich auch Kevin. Er war Mitglied in dieser Gang, die sich hier getroffen hatte.
    Sie wollten irgend etwas tun. Sie wollten ihre Langeweile vertreiben. Sie wollten Fun und Action, auch wenn andere Menschen dabei verletzt wurden.
    Die Welt war eben nicht gerecht. Sie bestand aus Reichen und Armen.
    Und die Reichen hatten eben die Pflicht, den Armen etwas abzugeben.
    So sah es die Gang, und so handelte sie.
    Den Plan hatten sie schon seit längerem gefaßt. Seit feststand, daß in der Straße hier so etwas wie ein Bordell geschaffen worden war.
    Zumindest waren recht viele Mädchen in ein leerstehendes Haus geschafft worden. Was sie dort taten, ob sie dort auch »arbeiten« mußten, das war den fünf Jungen nicht bekannt. Kunden hatten sie jedenfalls keine gesehen. Und so glaubten sie, daß dieses Haus mehr eine Übergangsstation war, bevor die Mädchen aller Rassen und Hautfarben weitergeschafft wurden.
    Darüber hatten sie nachgedacht, gesprochen und waren schließlich zu dem Ergebnis gekommen, einmal nachzuschauen. Einen aus ihrer Mitte wollten sie auswählen.
    Die Wahl war auf Kevin gefallen.
    In dieser Nacht hatten sie sich noch einmal
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