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1071 - Die Urnen-Gang

1071 - Die Urnen-Gang

Titel: 1071 - Die Urnen-Gang
Autoren: Jason Dark
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behalten und sich ihre eigenen Gedanken gemacht.
    Sie waren nicht gut, das wußte sie selbst, aber sie waren realistisch. Sonja konnte sich nicht vorstellen, daß ihre Schwester noch einmal zurückkehren würde und dann wieder alles so werden würde wie früher. Nein, das war nicht mehr drin. Man hatte Kathy zu einer anderen gemacht. Sie war so entfernt und entfremdet, und sie hatte sich nicht einmal von der eigenen Schwester anfassen lassen.
    Aber es gab sie. Sonja hatte sich nichts eingebildet, denn auch die beiden Männer hatten Kathy gesehen. Und zwar so, wie sie Sonja immer begegnet war. In ihrem Blumenkleid, das sich Sonja immer überstreifte, wenn sie auf die Suche ging.
    Sie wunderte sich über sich selbst. Daß sie den beiden fremden Männern Vertrauen geschenkt hatte, das kam ihr schon ungewöhnlich vor. Einfach anders als sonst. Warum es so gekommen war, konnte sie selbst nicht erklären, es war einfach so.
    Vor der Dunkelheit hatte sich Sonja eigentlich nie gefürchtet. Selbst als kleines Kind nicht. In der letzten Zeit allerdings, seit ihre Schwester verschwunden war, da war es ihr bei Einbruch der Dämmerung schon komisch gewesen. Da hatte sie immer, den Eindruck gehabt, als wäre etwas dabei, zu erwachen, was sich tagsüber stets versteckt gehalten hatte.
    Sie konnte es nicht konkretisieren. Es war einfach da, und es war auch nicht gut. Dafür böse, hinterlistig und abgefeimt. Etwas Unsichtbares zum Fürchten.
    Auch jetzt.
    Sie schaute nach vorn. Fuhr nicht schnell. Das alte Rad ließ es gar nicht zu. Es war nicht einmal mit einer Gangschaltung ausgestattet. Sie hielt den Kopf gesenkt, schaute auf die nicht sehr breite Straße mit all ihren querlaufenden Rissen und merkte, daß die Bedrohung zunahm, obgleich sie nichts sah.
    Nur das Dorf konnte sie erkennen, wenn sie den Kopf weiter anhob. Dann sah sie die Häuser, die sich noch klar mit ihren Umrissen vom Boden abhoben, und sie schaute auch auf den Kirchturm, hinter dem sich der fast volle Mond so unnatürlich bleich abzeichnete.
    Wie ein rundes Auge im Himmel, dachte sie. Eines, das Wache hält, weil es die Menschen beschützen will. Sie hoffte, daß dieser Schutz auch auf Kathy und sie zutraf.
    Sonja fuhr nicht auf der Mitte der Straße, sondern auf der linken Seite. Neben ihr huschte das dichte Buschwerk hinweg wie eine kompakte, aber doch irgendwie löchrige Mauer. Manchmal bewegten sich die Zweige und die Blätter im leichten Wind, und sie nahm auch den Geruch der Kräuterpflanzen wahr, die zwischen den Büschen wuchsen.
    Die normale Natur. So wie immer. Wie an jedem Tag und auch wie in jeder Nacht. Sie kannte das Bild, war damit vertraut. An diesem Abend allerdings erschreckte es sie. Sie konnte sich vorstellen, daß dieses Buschwerk etwas Böses verbarg, das dann urplötzlich zum Vorschein kam und sie überfiel.
    So war es auch.
    Auf einmal war das Hindernis da. Sie hatte noch das Brechen der Zweige gehört, ein sattes Aufbrummen dazwischen, dann schob sich der breite Schatten aus dem Buschwerk hervor genau auf die Straße und blieb in deren Mitte stehen.
    Sonja bekam es mit, wußte auch, was sie zutun hatte, aber sie dachte und handelte zu langsam. Dann stieg sie heftig in den Rücktritt, bremste endlich und rutschte dabei noch vor, so daß das leicht querstehende Vorderrad schließlich die Stoßstange des Wagens berührte. Sonja konnte sich fangen und mit einem Bein auf dem Boden abstützen. So fiel sie wenigstens nicht auf die Straße.
    Sie wußte nicht, welcher Wagen sie gestoppt hatte. Er sah aus wie ein Militärauto, dessen Türen an der rechten Seite aufschwangen. Bevor sich Sonja wieder fangen konnte, stand der Mann schon neben ihr und schaute sie an.
    Er war größer als Sonja, sogar um einiges. Um in sein Gesicht blicken zu können, mußte sie sich etwas recken. Sofort schoß Angst in ihr hoch. Sie brauchte nur auf das Gesicht zu schauen, um zu erschauern. Es war ein glattes, graues Gesicht, in dem sich nichts regte. Auf dem Kopf trug der Mann eine flache Mütze mit einem schmalen Schirm, der leicht nach unten in die Stirn gedrückt war.
    Sie ließ ihr Rad los. Es landete auf der Straße. Sonja schüttelte den Kopf. Ihr Herz schlug viel schneller als sonst. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
    »Was… was… wollen Sie?«
    »Du kommst mit!« Drei Worte hatte der Mann nur gesagt, ohne Betonung, wie ein Sprechapparat.
    »Nein, nein, ich komme nicht mit. Ich weiß nicht, wer Sie sind und woher Sie kommen. Auf keinen Fall komme ich mit
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