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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges
Autoren: Claudia Kern
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einem weiteren Wutanfall gerettet.
    »Und… Lieutenant?« Crows Stimme klang so kalt wie immer. »Wenn ich Sie das nächste Mal sehe, werden Sie den gleichen Haarschnitt tragen wie jeder Mann in diesem Raum. Vielleicht hilft die zusätzliche Belüftung Ihrem Gehirn bei der Arbeit.«
    Garcia kniff die Lippen zusammen. Hinter ihm lachten einige Männer leise.
    »Ja, Sir«, sagte er dann und verließ den Raum.
    ***
    Waashton, Downtoon
    Aiko konnte nicht sagen, wie lange er schon zwischen den alten, nach Salz und Fisch riechenden Netzen und dem Stapel leerer Kisten am Boden saß. Seit der Überlastung des Kraftfeldgürtels war sein interner Chronometer defekt und das Kurzzeitgedächtnis ließ ihn auch immer häufiger im Stich.
    Möglicherweise war Honeybutt erst vor wenigen Minuten verschwunden, vielleicht vegetierte er aber auch schon seit Tagen zwischen dem Abfall vor sich hin, ohne es zu merken.
    Der Transport durch die Unterseeröhren der Hydriten schien ihm jedenfalls schon Ewigkeiten zurückzuliegen. Mühsam versuchte er die Fahrt zu rekapitulieren, doch mehr als ein paar Fragmente kamen ihm nicht mehr in den Sinn. Und das wenige, an das er sich erinnern konnte, erschien ihm plötzlich seltsam fremd, wie die Bilder aus einem schlechten Traum.
    Aiko wusste nur noch, dass die Passage lang und eintönig gewesen war. Ja. Viel war nicht passiert, bevor sie die Gondel am Ufer des Potomac an die Oberfläche entlassen hatte.
    Das stand fest.
    Aber sonst? Fehlanzeige. Aiko konnte nicht einmal sagen, wie lange sie schon wieder in Meeraka weilten. Seit heute Morgen? Seit Tagen, Wochen oder Monaten? Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Nur der Verstand sagte ihm, dass die Ankunft erst wenige Stunden her sein konnte. Honeybutt vertrödelte gewiss keine Zeit. Sie wusste doch, dass er so schnell wie möglich nach Amarillo musste.
    Dass sein Leben, schlimmer noch, sein Verstand von einer raschen Rückkehr abhing!
    Im gleichen Moment, da er an die Freundin dachte, sah er ihr schwarzes, ein wenig pausbäckiges, aber doch wunderschönes Gesicht im Geiste vor sich.
    Honeybutt!
    Wo steckte sie nur? War sie seiner etwa überdrüssig geworden und hatte ihn einfach zurück gelassen?
    Aikos Herzschlag beschleunigte, während sich sein Magen verkrampfte. Ein Brennen durchlief seinen Körper, als hätte er Säure getrunken. Da war es wieder, dieses entsetzlich lähmende Gefühl, das ihn in letzter Zeit immer häufiger überfiel. Früher hatte er es kaum gekannt, das wusste er, doch inzwischen beherrschte es ihn immer häufiger. Es ließ seine Glieder unkontrolliert zittern und raubte ihm den Atem.
    Das Gefühl der Verzweiflung. Der puren, nackten Angst.
    Es war das Wissen um seine Hilflosigkeit, das ihn so entsetzte. Die Furcht, verlassen zu werden und alleine vor sich hin siechen zu müssen. Nicht mal in der Lage, dem Elend von eigener Hand ein Ende zu bereiten.
    Nein, Honeybutt lässt mich nicht im Stich! , machte er sich Mut. Sicher gibt es einen guten Grund dafür, dass sie so lange fort ist.
    Mühsam durchforschte er sein Gedächtnis. Er musste sich unbedingt an ihren Abschied erinnern, damit sein Wissen nicht in Vergessenheit geriet. Nur wenn er alles Wichtige wieder und wieder rekapitulierte, ging es ins Langzeitgedächtnis über und blieb ihm erhalten. Zumindest solange sich das Hirntrauma nicht auf angrenzende Gebiete ausbreitete. Was ihm in solch einem Fall blühte, malte er sich lieber erst gar nicht aus.
    Mühsam versuchte er die schwammigen Erinnerungen zu schärfen. Ein mühsamer Akt, beinahe so, als ob er durch flüssigen Teer waten musste. Stück für Stück fiel ihm wieder ein, wie ihn Honeybutt bis hierher geschleppt hatte, seinen rechten Arm über ihre Schulter gelegt und seinen Gürtel an der linken Hüfte gepackt. Es gab Zeiten, in denen er sich ganz normal bewegen konnte, aber dann, von einer Sekunde auf die andere, fühlte es sich an, als ob er von den Nackenwirbeln abwärts gelähmt wäre. Niemand konnte sagen, wie lange diese Phasen der Lethargie anhielten, er selbst am allerwenigsten.
    Gerade das machte ihm Angst. So furchtbare Angst.
    »Du bist zu schwer für mich«, hatte Honeybutt gesagt. »Wir können den Weg nicht zusammen gehen. Ich lasse dich hier zurück, wo sich viele Menschen aufhalten. In der Öffentlichkeit kann dir nichts passieren.«
    Der Schleier war gelichtet.
    Er erinnerte sich wieder. Endlich!
    Ja, sie hatte eine vernünftige Entscheidung gefällt. Trotzdem hatte er versucht, sie am
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