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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges
Autoren: Claudia Kern
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Persönlichkeitsmuster hatten in einem Teil seines Gehirns eine organische Anarchie ausgelöst, die der nicht kontrollieren konnte. Der Gedanke daran machte ihn nervös.
    »Sergeant Major?«, fragte eine helle Stimme hinter ihm.
    McGovern erkannte sie sofort.
    »Corporal Garcia«, antwortete er und drehte sich zu der dunkelhaarigen jungen Frau um, die hinter ihm aus einem Gang getreten war. Sie war die Schwester dieses idiotischen Adjutanten, den er am Morgen kennen gelernt hatte. Ihr Vorname war Juanita.
    »Ich wusste nicht, dass Sie zurückgekehrt sind, Sir«, sagte sie. »Hatten Sie Erfolg?«
    »Ja.« Er nickte. »Die Mission war erfolgreich. Und wie steht es mit Ihrer Beförderung?«
    Sie lächelte. »Die Prüfung wird hart, Sir, aber ich werde sie schon schaffen.«
    »Da bin ich sicher.«
    Einen Moment standen sie sich unsicher gegenüber.
    McGovern hatte sie gemocht, und Juanita wirkte so, als würde sie ihn auch mögen.
    »Ich… äh«, begann er, »muss noch zu einem Termin. Ich sehe Sie dann später.«
    »Natürlich, Sir.« Sie lächelte erneut.
    Die Mimik erhellte ihr ganzes Gesicht. »Willkommen zu Hause.«
    Der Cyborg blickte ihr nach, bis sie in einen weiteren Gang abbog. Erst dann drehte er sich um und setzte seinen eigenen Weg fort. Fast eine Meile ging er, bevor er stehen blieb, sich kurz umsah und einen Raum betrat.
    Die fünf Cyborgs, die das Aussehen von McGoverns Team angenommen hatten, drehten sich zu ihm. Einer von ihnen sprang auf und salutierte, ließ die Hand aber sofort wieder sinken.
    »Frank respektierte Delano sehr«, erklärte er auf die Blicke der anderen. »Es ist schwer, diese Erinnerungen unter Kontrolle zu halten.«
    Zwei andere Cyborgs nickten, hatten wohl ähnliche Erfahrungen gemacht. McGovern zog einen Stuhl heran und setzte sich.
    »Hier ist der Plan«, sagte er.
    Es war nicht viel von ihm übrig, nur ein paar flüchtige Gedanken, die sich wie Nebel auflösten, wenn er danach greifen wollte. In manchen Momenten wusste er, zu wem diese Gedanken gehörten, in anderen ließ er sie einfach nur vorbeiziehen.
    Lange hatte er darüber nachgedacht, was und wer er war.
    War er ein Geist, in einem fremden Körper gefangen? War er vielleicht die Seele des Mannes, dessen Erinnerungen man gestohlen hatte? Oder war er nur ein fehlgeleiteter elektrischer Impuls der Maschine, die ihn umgab?
    Alles und nichts von dem, entschied er schließlich. Er war nur ein Anhängsel seiner Erinnerung, ein Fetzen freier Wille, der als blinder Passagier in dieses kalte, künstliche Gehirn geraten war.
    Wenn er sich anstrengte, konnte er darin lesen, sogar durch dessen Augen blicken. Er hatte Juanita gesehen und die Maschinen, die wie Männer aussahen. Wie ein Spion belauschte er sie und erfuhr ihren Plan.
    Der Mann, der er einst gewesen war, hätte sein Leben gegeben, um diesen Plan zu verhindern. Doch er hatte kein Leben mehr, also wusste er nicht, was er geben konnte, damit sie versagten. Wenn er es fand, würde er handeln.
    Semper Fi , dachte er in der eisigen Stille der Maschine.
    Allzeit bereit.
    ***
    Waashton, Downtoon
    Der Stimmen der Menschen, die sich die Stände entlang schoben, drangen nur gedämpft in Aikos Bewusstsein. Alles Tratschen und Feilschen, selbst das Knarren der Holzräder, die wenige Zentimeter vor seinen ausgestreckten Füßen über den festgestampften Weg rollten, wurde auf seltsame Weise gefiltert.
    Es hörte, ja fühlte sich an, als ob seine Wahrnehmung durch Alkohol, Medikamente oder einen Mix aus beidem beeinträchtigt wäre. Sein Hirn wirkte manchmal wie in Watte gepackt, und dann wieder, als ob sein Bewusstsein weit außerhalb des Körpers schweben würde und er nur noch durch die Augen eines Fremdes sähe.
    Natürlich war das Unsinn. In Wirklichkeit wurden die Hirnströme von seinen defekten Implantaten gestört, aber das machte die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Jeder Tag, der ohne medizinische Hilfe verstrich, kostete ihn weitere Hirnzellen, die zu Tausenden rund um die neurologischen Erweiterungen abstarben. Aiko spürte das Bedürfnis, seine Finger in die Gehörgänge zu bohren, in dem sinnlosen Versuch, den Anflug von Taubheit zu beenden. Aber den rechten Arm zu bewegen - der linke gehorchte ihm nicht mehr -, erforderte seinen ganzen Willen, und im Augenblick fühlte er sich einfach zu müde dazu, den aufzubringen. So blieb er reglos hocken, den Rücken an die brüchige Hauswand gelehnt.
    Die vorüber drängenden Menschen beachteten ihn kaum.
    Und wenn doch, dann sahen
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