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1050 - Die Nymphe und das Monster

1050 - Die Nymphe und das Monster

Titel: 1050 - Die Nymphe und das Monster
Autoren: Jason Dark
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ihn.
    ER hatte seinen verdammten Platz an der Decke noch nicht verlassen. Das Gesicht erinnerte mehr an eine in die Breite gezogene Maske. Es sah einfach widerlich aus.
    Wieviel Kraft steckte noch in ihm? Und was hatte er vor? Er würde wohl kaum unter der Kirchendecke bleiben wollen. Ich war sein Feind. Er mußte versuchen, mich zu töten.
    Plötzlich flog er los. Die mächtigen Flügel, die so starr waren, bewegten sich nun geschmeidig. Er glitt nicht in die Tiefe und auf mich zu, sondern flog an der gegenüberliegenden Kirchenwand entlang und sackte dabei ein wenig nach unten.
    Ich verfolgte seinen Weg mit der Waffe. Silberkugeln, von Father Ignatius geweiht – sie waren die einzige Möglichkeit, denn mein Kreuz fiel hier aus.
    Ich setzte alles auf die berühmte eine Karte. Ich schoß, schoß wieder, noch einmal. Die Kugeln jagte ich der Reihe nach in den Balg dieses Wesens. Dabei gab ich mich der Hoffnung hin, daß noch etwas Menschliches in seinem Körper steckte.
    Kein Fehlschuß. Jede Kugel hatte getroffen. Ihn durchgeschüttelt und gedreht. Zum Fenster hin.
    Wieder ein Schuß – noch ein Treffer.
    Das Geschoß erwischte jetzt seinen Rücken und bohrte sich dabei tief in den Körper hinein.
    Die in der Luft schwebende Horror-Gestalt erhielt einen Stoß, der ihn nach vorn wuchtete.
    Da war das Fenster!
    Er fiel hinein.
    Die alte Scheibe hielt dem Druck nicht stand. Ich hörte, wie sie zersplitterte, doch nicht ganz, denn einige Stücke blieben noch im alten Kitt stecken. Dreiecke. Schmal wie Säbel oder auch drei- und vierfach so breit.
    Die Gestalt fiel hinein. Das Glas bohrte sich durch die doch recht weiche Haut.
    Der Götze wurde an mehreren Stellen regelrecht aufgespießt und blieb für wenige Augenblicke in dieser Lage hängen, bevor das Glas durch sein Gewicht brach.
    Dunst dampfte von außen her in die Kirche hinein, als wollte er den Tod des Keltengotts verschleiern. Er fiel dem Boden entgegen.
    Jaulende Echos trieben durch das Innere der Kirche, die genau dann aufhörten, als der Körper aufschlug.
    Zwischen der Wand und den seitlichen Begrenzungen der Bankreihen blieb er liegen.
    Ich ging zu ihm.
    Ich hatte geschossen und wußte nicht, ob sich noch eine Kugel im Magazin befand. In einer recht sicheren Entfernung blieb ich vor dem Götzen stehen.
    Den Lichtstrahl ließ ich zuerst über seinen Körper streichen, dann bis hoch zum Gesicht.
    Es sah anders aus. Verändert und auch schlimmer, denn in ihm zeichneten sich noch die Züge des Pfarrers Don Carmacho ab. Demnach hatte ihm der Keltengötze seine Existenz nicht ganz nehmen können. Deshalb hatte ich ihn auch auf diese recht konventionelle Art und Weise töten können.
    Ich trat gegen den von Einschußlöchern gezeichneten Körper.
    Keine Reaktion mehr. Wie ein totes Tier lag er vor meinen Füßen.
    Als wartete er darauf, verscharrt zu werden.
    Ich dachte an die Nymphe und schlug einen Bogen, um mich dem Altar zu nähern. Grace Felders leises Weinen begleitete mich dabei.
    Die Nymphe lag noch an der gleichen Stelle. Nur hatte sie sich verändert. Ihr Körper war durchscheinend und gläsern geworden.
    Er sah aus wie die Flügel einer Libelle. Und er war dabei völlig ausgetrocknet. Als ich gegen ihn drückte, brach er genau an der Stelle ein.
    Das Schicksal eines Wesens, das es auf unserer Erde angeblich nicht gab. Ich dachte von heute an anders darüber, doch eine Überraschung war es nicht.
    Aibons Erbe ließ sich oft genug finden…
    ***
    Grace Felder saß auf der Bank. Sie schaute mich an. Ihr Gesicht war vom Weinen verquollen. Den Kopf der alten Kräuterhexe hatte sie auf ihren Schoß gebettet. In den Augen der Frau war kein Leben mehr zu sehen. So brauchte ich nicht erst zu fragen.
    Grace wollte trotzdem reden. »Sie ist tot, John, tut mir leid. Ich… wir haben es nicht mehr schaffen können, sie zu retten.«
    »Ja«, bestätigte ich und nickte, wobei ich tief ausatmete und auch nachdachte. »Kannst du verstehen, daß mir mein Job oft genug keinen Spaß macht?«
    »Das kann ich, John«, erwiderte sie leise, »das kann ich verdammt gut…«
    ENDE
    [1] Siehe John Sinclair Nr. 998 »Die Welt der verlorenen Kinder«, John Sinclair Nr. 999 »Der Mitternachtsfluch«
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