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1041 - Der Rächer

1041 - Der Rächer

Titel: 1041 - Der Rächer
Autoren: Jason Dark
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nicht in seiner Nähe. Er mußte quer über das Gelände laufen, sich durch die schmalen Wege zwischen den Gräbern schieben, die mit Kreuzen, Grabsteinen und auch mit Tannenzweigen geschmückt waren. Als Hinterlassenschaft des Allerheiligen- und Allerseelenfestes standen noch die kleinen Lampen auf vielen Gräbern.
    Sie leuchteten nicht mehr. Viele waren umgekippt, als ein harter Regen niedergeprasselt war.
    Es war so still. Shannon hörte nur sich selbst, und auch diese Geräusche versuchte er, in Grenzen zu halten. Er wich Hindernissen aus, er duckte sich, als tiefwachsende Zweige ihn störten und erreichte danach das Gebiet, wo die frischen Gräber ausgehoben wurden.
    Es lag ziemlich frei, und deshalb blieb Shannon zunächst in sicherer Deckung stehen. Er wirkte wie ein kompakter Schattenriß in der Düsternis, in der nur sein blasses Gesicht leuchtete wie alter Teig.
    Die Lippen hielt er aufeinandergepreßt und drehte sehr langsam den Kopf nach links, in die entsprechende Richtung.
    Frische Gräber reihten sich aneinander. Es waren nicht viele, aber drei von ihnen fielen auf, denn sie waren noch nicht richtig eingefallen und bildeten flache Hügel, in denen drei Kreuze steckten.
    Dort lagen sie.
    Mit erstickter Stimme flüsterte Shannon die Namen der Toten. Er konnte nicht mehr normal reden. Er glaubte, einen Kloß in der Kehle zu haben und aus seinen Augen liefen Tränen. Sich vorzustellen, daß die verbrannten Körper in dieser feuchten Erde lagen, brachte ihn fast um den Verstand. Trotzdem mußte er hingehen. Es war wie ein Drang, dem er nichts entgegensetzen konnte. Dieser eine Abschied war für ihn wichtig, auch wenn er ihm noch so schwerfiel.
    Patrick wischte über seine Augen. Keuchend hörte sich sein Räuspern an. Dann gab er sich den inneren Ruck und ging los. Langsam, obwohl er das Gefühl eines inneren Drangs spürte. Er riß sich zusammen und mußte auch noch vorsichtig sein.
    Der weiche Boden dämpfte die Schritte. Er kam gut voran. Die Dunkelheit schützte ihn wie ein grauer Mantel. Jeder Grashalm schien zu flüstern, als er auf ihn trat, doch es war seine Stimme, die er nicht mehr unter Kontrolle halten konnte.
    Ohne es zu wollen, sprach er immer wieder die Namen der Toten aus. Seine Hände bewegten sich hektisch. Manchmal waren sie gestreckt, dann wiederum schlossen sie sich zu Fäusten. In seinem Kopf hämmerte es, als wollten ihm die Gedanken Schmerzen und Stiche zufügen.
    Patrick Shannon erreichte die drei Gräber und blieb dicht davor stehen.
    Er schaute hin.
    Er stöhnte auf und preßte seine Hände gegen den Magen, als er das würgende Gefühl spürte. Die Gräber verwischten vor seinen Augen. Der Schwindel hielt ihn fest, und er hatte Mühe, überhaupt auf den Beinen zu bleiben.
    Hechelnd saugte er die Luft ein. Er zitterte. Sein Körper spürte Hitze und Kälte zugleich. Die Erinnerungen strömten wieder hoch.
    Er hörte seine Familie schreien. Jetzt kam es ihm vor, als erreichten ihn diese Schreie aus den Tiefen der Gräber.
    Er wollte nicht mehr. Er merkte die Leere in sich. Er war an einem Punkt angelangt, einfach aufzugeben und wegzurennen, um nichts mehr hören und sehen zu müssen.
    Die andere Seite jedoch tobte nach wie vor in ihm. Er dachte an seinen weiteren Weg. An seine Rache, die er sich vorgenommen hatte. Er würde es durchziehen, er mußte es durchziehen. Für sich und auch für die drei Toten in der Erde.
    Seine Gedanken hatten sich geklärt, und damit klärte sich auch wieder sein Blick.
    Drei flache Hügel. Nebeneinander. Drei Kreuze, die darauf hervorschauten. Jemand hatte die Namen auf das frische Holz gemalt, und es waren auch Tannen auf die Gräber gelegt worden. Von Freunden, von Bekannten. Aber wo waren sie gewesen, als die Not am größten gewesen war? Keiner hatte ihnen in der Flammenhölle geholfen. Auch Shannon hatte es versucht – ja, er hatte es wenigstens versucht, aber der Himmel hatte kein Einsehen mit ihm gehabt.
    Der Himmel!
    Shannon konnte nicht anders. Er mußte auflachen. Es klang böse, verbittert und haßerfüllt. Er wollte und konnte nicht mehr an den Himmel glauben. Sein Weltbild war zusammengebrochen. Was er den Kindern in den Religionsstunden mit auf den Weg gegeben hatte, existierte für ihn nicht mehr.
    Es gab für ihn keinen Himmel mehr! Es existierte für ihn auch nicht mehr das, was mit dem Himmel zusammenhing. Sein Gott hatte ihn verlassen und ihn auf diesen Weg getrieben.
    »Nein!« keuchte er plötzlich. »Nein, so nicht!« Er sprang
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