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1035 - Die Totenkammer

1035 - Die Totenkammer

Titel: 1035 - Die Totenkammer
Autoren: Jason Dark
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spürte.
    Levine atmete. Er mußte es tun. Er fühlte sich gezwungen, die Luft heftig ein- und wieder auszuatmen. Es ging nicht anders. Er brauchte wieder seine normale Kraft, seine Kondition, und er stellte plötzlich fest, daß er das Buch nicht mehr in der Hand hielt. Es war ihm aus den Fingern gerutscht und vor seinen Füßen zu Boden gefallen.
    Das Buch lag mit dem Rücken nach unten, und der Professor blickte irritiert auf die offen liegenden Seiten. Er wollte zunächst nicht glauben, was er zu sehen bekam, weil es ihm unmöglich vorkam. Trotzdem mußte er es anerkennen.
    Die dunklen Worte und Buchstaben, die einmal klar und lesbar geschrieben worden waren, gab es nicht mehr. Sie hatten sich verändert. Sie waren verschwommen und verwischt worden, als hätte jemand eine Flüssigkeit darüber hinweggekippt, um die Worte aufzulösen. Es war der blanke Wahnsinn. Es gab auf den beiden offen liegenden Seiten nur ein graues Wischiwaschi.
    Als Levine dies akzeptiert hatte, wollte er es genauer sehen und beugte sich vor. Erst jetzt sah er das deutlicher, was ihm schon einmal aufgefallen war, das er aber nicht hatte hinnehmen wollen.
    Dort, wo die Buchstaben ineinandergelaufen waren, löste sich ein dünner Rauch, der fahnengleich in die Höhe stieg. Er zitterte dabei.
    Er teilte sich auch in einige dünne Säulen auf, aber er war nicht wegzudenken. Der Rauch drang tatsächlich seinem Gesicht entgegen, und zugleich trieb ein ekliger Gestank mit ihm hoch.
    Tristan Levine verzog das Gesicht. Er fuhr durch seine Haare. Er selbst sah ebenfalls alt und grau aus. Die Haut zeigte sich aufgedunsen. Rote Äderchen durchzogen sie wie von dünnen Pinselstrichen gezeichnet. Levines Hände zuckten. Hin und wieder ballten sie sich zu Fäusten, als könnte er den Rauch damit aufhalten.
    Der Gestank war so eklig, daß er ihm den Atem raubte. Levine suchte nach einem Vergleich. Der allerdings war schwer zu finden, denn dieser Geruch war nicht mit dem zu vergleichen, der sich ansonsten innerhalb des Kellerraums ausgebreitet hatte.
    Er roch nicht nach Verwesung, nicht nach Moder. Hier stank es wirklich nach dem Bösen, nach der Hölle. Scharf und ziehend, zugleich den Atem raubend. Widerliches Gasgemisch. Möglicherweise vor sich hinkokelnde Knochen, die irgendwo in einer fremden Dimension vor sich hinglühten. Levine hätte eigentlich weglaufen wollen, er schaffte es jedoch einfach nicht. Das alte Buch hatte ihn in seinen Bann gezogen.
    Dann war es ihm, als wäre jemand dabei, einen Vorhang wegzuzerren, der ihn bisher behindert hatte. Er schaffte es, klar zu denken, und seine Gedanken bewegten sich dabei zurück in die Vergangenheit. Sehr deutlich erinnerte er sich daran, was ihm der Verkäufer gesagt hatte, bei dem er das Buch erworben hatte.
    »Es ist nicht nur einmalig, mein Freund. Man kann es auch nur einmal benutzen. Danach hat es seine Kraft verlassen. Dann wird es nichts mehr bringen. Deshalb sollte man sich genau überlegen, ob man die alten Formeln überhaupt nachspricht. Ja, man muß schon sehr gut nachdenken, denn anschließend gibt es kein Zurück. Es gehorcht dem Bösen, mein Freund, und es wird sich immer wieder dem Bösen zuwenden, daran mußt du stets denken. Es wendet sich dem Bösen zu, dem Bösen…«
    Gerade die letzten Worte strömten ständig durch den Kopf des Professors. Was hatten sie zu bedeuten? Sie mußten eine Bedeutung haben. Bisher war es für ihn nur reine Theorie gewesen, das allerdings konnte sich leicht ändern.
    »Es wendet sich dem Bösen zu«, flüsterte Tristan Levine vor sich hin. Er wiederholte den Satz, während er zuschaute, wie sich der Rauch verdichtete und auch aus den anderen Seiten des Buchs hervorströmte.
    Der Mann wußte genau, daß dieser Satz der Wichtigste überhaupt war. Er hätte sich schon früher daran erinnern und auch darüber nachdenken sollen. Das war ihm nicht in den Sinn gekommen. Nun jedoch wurde er sehr deutlich durch seine Erinnerung darauf hingewiesen. Er gelangte zu einem Punkt, an dem er sich sagte, alles falsch gemacht zu haben. Ja, er hatte einiges nicht richtig gesehen, denn im Prinzip wollte er nicht, daß sich die Kraft der alten Beschwörungen dem Bösen zuwandte, sondern einer bestimmten Person, eben seiner Frau.
    Marita hatte davon profitieren sollen. Sie war nicht das Böse, sie war für ihn die Göttin, die über alles geliebte Frau, die ihm der Tod so brutal entrissen hatte.
    Das Böse war anders. Die fünf Frauen, die tot um seine Marita herumlagen. Sie
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