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1010 - Das Geheimnis der blutigen Hände

1010 - Das Geheimnis der blutigen Hände

Titel: 1010 - Das Geheimnis der blutigen Hände
Autoren: Jason Dark
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sie immer wieder dort angefaßt, wo er sich sonst nicht traute. Es war ein widerlicher, ein schmieriger Typ, einer, dessen Großeltern aus dem tiefen Süden gekommen und in den Alpen heimisch geworden waren. Jessica mochte die Menschen aus dem Süden nicht. Sie waren so ganz anders als die aus dem Trentino.
    Später, auf einer gewissen Höhe, wurde der Weg eben. Zum Glück für Jessica, denn da hatte sie schon kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. Die beiden Männer gönnten ihr sogar eine Pause.
    Jessica durfte sich auf einen Stein setzen.
    Der Weg hier oben war schmal, steinig und auch sehr gewunden. Er unterbrach den Berg praktisch auf seiner Breitseite. Hinter ihr führte der Hang ziemlich steil in die Höhe, während die Flanke zur anderen Seite hin doch recht steil abfiel. Sie endete dort, wo der Bach floß, dessen Rauschen in der Dunkelheit noch lauter zu ihnen hochklang. Dieses Geräusch würde später auch ihre Schreie überdecken, falls sie überhaupt dazu kam. Jessica spielte bereits mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. Sich einfach abstoßen, über den Weg laufen und dann den steilen Berghang hinab. Zwar war er bewachsen, Kiefern, Fichten und Gestrüpp bildeten manchmal einen regelrechten Wall, aber es gab auch genügend freie Flächen, die an exponierten Stellen lagen. Von dort aus konnte man sich in die Tiefe stürzen. Der Körper würde auf dem Weg nach unten kaum gestoppt werden, wenn er einmal in Fahrt gekommen war. Er würde dann zuerst auf den mächtigen Ufersteinen des Bachbetts aufschlagen und schließlich im eisigen Wasser verschwinden.
    Dieser Gedanke schien auch ihren Bewachern nicht fremd zu sein. Sie wußten genau, was sie zu tun hatten, und sie versperrten ihr den Weg. Wenn die Frau in die Höhe schaute, dann sah sie Cesare Caprio vor sich. Er hatte seine Jacke ein wenig zur Seite geschoben. Jessica sah den Stahl in der Lücke schimmern. Sie wußte genau, daß es die Klinge eines Beils war, und sie schauderte.
    Müde strich sie durch das dunkle Haar, schreckte zusammen, als di Mestre zu kichern anfing. »Das wirst du bald nicht mehr können, Süße«, zischelte er. »Da fehlen dir nämlich dann die Hände.« Er lachte. »Hack, hack, verstehst du?«
    »Halt dein Maul, di Mestre!« Cesare Caprio mischte sich ein. »Sag nichts mehr, sonst hacke ich dir deinen verdammten Schädel ab. Verdient hättest du es schon längst.«
    »He, was ist denn los? Du…«
    »Schnauze.«
    Flavio di Mestre verstand die Sprache. Er hielt den Mund, drehte sich weg und hielt die Hände so, als wollte er jemanden würgen.
    Caprio stieß Jessica an. »Es reicht! Steh auf, dann können wir es hinter uns bringen!«
    Sie nickte. Es fiel ihr schwer, sich zu erheben, und sie tat es mit den Bewegungen einer Greisin.
    Dabei hielt sie den Kopf gesenkt, atmete schwer und wußte, daß das Schlimmste dicht bevorstand.
    Die beiden Männer schirmten sie zur linken Seite hin ab. Sie wollten ihr keine Gelegenheit bieten, in die Tiefe zu springen.
    Der schmale Höhenweg führte in eine Rechtskurve. Wo sie endete, war auch ihr Weg vorbei. Dort lag der Stein, der Platz, der unheimliche Blutort, denn da waren die Menschen bestraft worden, da hatten sie ihre Hände im Lügenmaul lassen müssen, und die Bewohner dieser einsamen Täler nahmen so etwas als gottgewollt hin.
    Cesare Caprio hielt Jessica fest. Er spürte, wie sehr sie zitterte. Da erging es ihr nicht anders als den übrigen Frauen vor ihr, und er verspürte auch Mitleid mit dieser Frau. Aber er konnte ihr keine Chance geben, ebensowenig wie er den anderen eine gegeben hatte. Das mußte jetzt durchgezogen werden, sonst würde der Fluch alle Menschen im Tal treffen und sie vernichten. Das wollte keiner.
    Deshalb mußten die Frevlerinnen bestraft werden.
    Das Lügenmaul war in den Fels hineingeschlagen worden. Wer es irgendwann einmal getan hatte, wußte man nicht. Um diesen Ort des Schreckens rankten sich Legenden. Die einen sprachen vom Teufel, die anderen wiederum waren der Meinung, daß der sagenhafte König Laurin der Baumeister gewesen war.
    Tief unten im Tal war das Rauschen des Wassers jetzt besonders deutlich zu hören. Auf den Spitzen der Berge lag noch der Schnee, aber weiter talwärts schmolz er bereits, und so bekam der Bach immer mehr Nachschub; sein Bett breitete sich aus, er wurde zu einem reißenden Strom. Irgendwann mündete der Bach dann in die Etsch.
    Jessica hielt den Kopf gesenkt. Sie starrte zu Boden, ohne ihn richtig zu sehen. Sie ging über einen
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