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0999 - Der Mitternachtsfluch

0999 - Der Mitternachtsfluch

Titel: 0999 - Der Mitternachtsfluch
Autoren: Jason Dark
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nicht in seine Gewalt bekommen. Sie irren ruhelos umher, und ihr seid hier, um ihnen die Ruhe zu verschaffen, in dem ihr das gleiche tut wie die anderen Kinder damals. Kinder müssen für Kinder da sein, und ich bin der letzte Mensch in der Ahnenreihe, der dies noch in die Wege leiten kann. Nach mir kommt niemand. Ich bin der Retter der Kinderseelen, und ihr seid es auch.«
    Keines der Kinder bemerkte diese Perversion. Wie auch? Sie alle standen unter diesem gewaltigen Bann, der sich schon Wochen zuvor aufgebaut hatte und nun sein Ende finden sollte.
    Ein Ende im eisigen Wasser, in Tod und Verderben, ein Sterben, für das sich der Reverend, ein Diener Gottes, stark gemacht hatte.
    Felder schaute sie an. Er lächelte dabei. Auch die Kinder hoben den Blick und ließen ihn durch das Gesicht des Mannes streifen. Sie sahen auch dessen Augen und nahmen zwangsläufig den Ausdruck wahr, aber sie waren nicht in der Lage, ihn zu interpretieren. Selbst ein normaler Erwachsener hätte seine Schwierigkeiten damit gehabt. Nur einem Fachmann wäre diese Veränderung aufgefallen, die so etwas wie eine erste Stufe des Wahnsinns beinhaltete, denn anders war dieser ungläubige Glanz in den Pupillen nicht zu erklären.
    Er war dunkel. Er war verhangen, zugleich aber von einer außergewöhnlichen Klarheit. Und er glich einem Spiegel, in dem sich die bösen Auswüchse einer anderen Welt zeigten. Im Gesicht des Reverend bewegte sich kein Muskel. Die Haut schien in der Kälte erstarrt zu sein.
    Wieder hob er die Arme, nachdem er jedem Kind in die Augen geschaut hatte und zufrieden gewesen war. »Ihr seid nicht allein, meine Freunde«, sagte er mit leiser, aber durchaus verständlicher Stimme. »Nicht allein auf dieser Welt. Ich bin bei euch, mich seht ihr, aber auch andere umgeben euch, die ihr nicht seht. Es sind die Seelen derjenigen, für die ihr in den Tod geht, damit sich der Kreis schließt, und die Hölle endlich das bekommt, was ihr zusteht. Haben sie sich in der letzten Zeit nicht mit euch in Verbindung gesetzt? Habt ihr die Stimmen nicht gehört, wenn sie wispernd mit euch sprachen, wenn sie bewiesen haben, wieviel Macht sie haben? Habt ihr es verstanden?«
    Er wartete auf eine Antwort und bekam sie auch, denn die neun Kinder nickten.
    Felder war zufrieden. »Das ist sehr gut«, lobte er seine jungen Begleiter.
    »So ist bereits die Sehnsucht in euch eingepflanzt worden, und ich weiß sehr genau, daß euch die Seelen der Kinder aus der Vergangenheit nicht verlassen haben. Auch wenn ihr sie nicht seht, sie sind bei euch. Sie umkreisen euch. Sie beobachten aus dem Unsichtbaren hervor, und sie sind sehr zufrieden.« Der Reverend lachte leise, dann drehte er sich auf der Stelle und reckte wieder die Arme hoch. »Kommt!« rief er in den kalten Himmel hinein. »Kommt zu uns! Schaut zu, wie die anderen in das Wasser gehen, um euch zu erlösen…«
    Seine Stimme verklang. Es wurde wieder still, und die Stille blieb auch bestehen.
    Die Kälte paßte plötzlich in den Rahmen. Die Stille wirkte noch intensiver, aber sie löste sich plötzlich auf, denn auf einmal waren die Stimmen da. So fremd, so anders. Die Luft bestand aus Eis, die von Sägen zerschnitten wurde, so jedenfalls hörten sie sich an, als sie herbeischwangen, aus dem Unsichtbaren hervor kreischten und sangen.
    Sie drückten ihre Freude über die baldige Erlösimg durch diesen schrillen Gesang aus, den sie in der Hölle gelernt zu haben schienen, und sie hörten auch nicht auf. Das Singen blieb, das Kreischen hallte über die dünn gefrorene Wasserfläche, um sich später in der finsteren Nacht zu verlieren.
    Der unheimliche Gesang hatte nicht nur den Reverend in eine Art von Freudentaumel versetzt, es war ihm auch gelungen, die Kinder aus ihrer Lethargie zu wecken.
    Sie bewegten sich. Sie drehten sich dabei langsam, als lastete ein Druck auf ihnen. Und sie schauten zum Himmel, der schwarzblau über ihnen schwebte. Kein einziger Stern durchbrach die Finsternis.
    Es war der Heilige Abend, die Geburt des Menschensohns. Die Christenheit feierte dieses Fest in freudiger Erwartung, hier aber streckte der Tod seine Krallen aus, und es sah wirklich so aus, als würden die Kinder berührt, denn einige von ihnen drückten sich zur Seite und duckten sich dabei, während andere zögernd nach den unsichtbaren Fingern zu greifen schienen.
    Felder war zufrieden. In dieser anderen Welt fühlte er sich wohl. Er hatte früher versucht, sich gegen sein eigenes Schicksal zu stemmen, doch er hatte
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