Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
verlieren. Ich befinde mich auf dem Weg dorthin.«
    »Durch den Satan?« fragte ich.
    Der Mann war für einen Moment aus dem Konzept gekommen. Er zwinkerte mit den Augen, als er nach der passenden Antwort suchte. »Ja, durch den Satan, wenn Sie so wollen. Aber der Satan ist auch für jeden Menschen anders.«
    »Richtig, Herr Schneider. Ich freue mich, daß wir eine Gemeinsamkeit haben. Darf ich Sie noch fragen, wie er für Sie ist?«
    »Sie dürfen«, flüsterte, er. »Aber ich werde Ihnen keine Antwort geben.«
    Ich nahm den nächsten Anlauf und versuchte es auf die etwas ironische Tour. »Hat er Sie denn gestreichelt? Hat er mit seiner Hand ihre Wange berührt und dieses Feuermal hinterlassen?«
    »Lassen Sie Ihren Spott! Es ist mir verdammt ernst damit. Nein, das hat er nicht.«
    »Aber Sie haben ihn trotzdem gesehen?«
    »Auf meine Art.«
    »Gut, das habe ich nur wissen wollen. Wenn der Satan Sie nicht besucht hat und sie sich selbst in diesem Schreiben an Ihren Kollegen als Judas und Verräter bezeichnet haben, dann müssen Sie ja wohl den Kontakt mit ihm gesucht haben.«
    Das Gesicht vor mir zuckte. Dann hörte ich ein Räuspern und schließlich die Antwort. »Sie kommen der Wahrheit damit ein Stück näher, Herr Sinclair.«
    »Das ist doch gut. Ich gehe sogar noch weiter. Sie wissen oder kennen den Ort, wo sich der Satan Ihrer Ansicht nach aufhält. Oder liege ich da falsch?«
    Er drehte den Kopf, schaute an mir vorbei und beobachtete die Blätter, die sich trudelnd dem Boden entgegensenkten. Er wollte dazu nichts sagen und preßte die Lippen zusammen, die von der ungewöhnlichen Veränderung nichts mitbekommen hatten. Sie hatte sich einzig und allein auf die linke Wange konzentriert.
    »Sie werden sich wohl damit abfinden müssen, daß Sie mich so schnell nicht loswerden. Ich bleibe, und ich bleibe bei Ihnen, denn der Satan interessiert mich ebenfalls. Warum hätte mich sonst Ihr Kollege von England hierhergeschickt?«
    »Es war ein Fehler, ihm zu schreiben.«
    »Oder die Rettung!«
    Er konnte auch lachen, aber es klang rauh und bitter. »Nein, keine Rettung, denn ich bin nicht mehr zu retten. Ich bin verloren, ich stecke in seinen Klauen fest, und ich werde dorthin gehen, wohin ich einfach gehen muß.«
    »Aber nicht allein«, erklärte ich ihm.
    »Sie können mich nicht zwingen, Sie mitzunehmen.«
    »Das nicht«, erwiderte ich lächelnd. »Ich werde einfach an Ihrer Seite bleiben. Mich haben schon immer Orte und Stellen interessiert, an denen der Satan ein Zuhause hat. Ihnen brauche ich wohl nicht zu sagen, daß die Hölle zahlreiche Gesichter hat.«
    »Nein, das brauchen Sie nicht.«
    »Also werden wir diesem Ort einen gemeinsamen Besuch abstatten. Und gleich, da ich ihn mir bei Tageslicht anschauen will. Oder sind wir schon da?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Hat er eventuell von der Kirche Besitz ergriffen? Ausgeschlossen wäre es nicht, denn ich habe ähnliche Erfahrungen machen können, so schlimm das auch ist.«
    Der ehemalige Bischof starrte mich an. »Nein, das hat er nicht. Zumindest nicht direkt. Aber indirekt schon, denn ich spüre ihn in mir. Ich bin der Verräter, der Judas, der nun dafür zahlen muß. Ich habe mich falsch verhalten.«
    »Es gibt nichts, was man nicht ändern könnte, Herr Schneider. So ist das nun mal im Leben.«
    »Aber nicht bei mir.«
    »Wir sollten es trotzdem versuchen.«
    Er schaute zu Boden. Die linke Gesichtshälfte hatte sich zwar nicht verändert, aber sie war trotzdem irgendwie anders geworden. Auf mich machte sie einen intensiveren Eindruck, als hätte sich die Farbe dort noch mehr vermengt. Dazwischen schimmerte die weißliche und wäßrige Flüssigkeit wie dünner Eiter. Aber die roten Stellen hatten schon zugenommen, und wenn mich nicht alles täuschte, hatten sich auf der malträtierten Gesichtshälfte sogar Blasen gebildet.
    Sie sahen aus wie kleine Perlen, die zuviel Druck bekommen hatten und dicht vor dem Platzen standen. Etwas ging mit diesem Mann vor, er spürte es auch, aber er war nicht bereit, darüber mit mir zu sprechen.
    Schneider atmete schneller. Er litt. Er bewegte sich unruhig. In seinen Augen lag die kalte Angst. Ich überlegte, ob ich mein Kreuz einsetzen sollte, nahm aber zunächst Abstand und beobachtete den Mann weiter.
    Er hatte mir von seinem Ende berichtet, und ich fragte mich, ob dieses ihm aufgezwungene Verhalten bereits der Anfang vom Ende war, und was ich dagegen tun konnte.
    Der ehemalige Bischof ging zurück und entfernte sich von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher