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099 - Die Lady mit den toten Augen

099 - Die Lady mit den toten Augen

Titel: 099 - Die Lady mit den toten Augen
Autoren: Larry Brent
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unten
vegetierten sie dahin. Sie wurden in absoluter Finsternis gehalten, aber das
merkten sie nicht. Denn für sie war immer Nacht. Dies waren die Reste der
Opfer, die mit dem Leben davongekommen waren. Viele weitere hatte Billerbroke in seinen Todeslisten aufgeführt, nur wenige
davon lebten noch.
    Aber was für
ein Leben war das!
    Verdiente es
überhaupt noch den Ausdruck Leben?
    Die Gestalten
bewegten sich. Unruhe kam in sie. Einige gaben unartikulierte Laute von sich, als Larry
sich ihnen Schritt für Schritt näherte. Er bewegte sich leise, aber nicht
lautlos. Und die in der ewigen Nacht Lebenden, zu denen nie ein Sonnenstrahl
mehr vordrang, hatten ein um so empfindlicheres Gehör. Sie wurden aufgeregt.
Ihre Gesichter drehten sich in die Richtung, aus der er kam. Manche bückten
sich und wußten genau wo ihre Eßnäpfe standen, rissen
sie hoch und streckten sie ihm entgegen. In vielen Tellern befand sich kein
Speiserest mehr. Sie waren ausgeschleckt, wie Kinder manchmal ihre Teller
auszulecken pflegen.
    Hier unten
roch es nach Schweiß und Kot.
    „Ist da
jemand?“ fragte ein alter Mann mit schwerer Stimme. Seine leeren Augen waren in
die Ferne gerichtet.
    „Durst...
Wasser ..stammelte ein anderer. Er hockte auf seiner Matratze. Das lange,
strähnige Haar hing dünn zu beiden Seiten herunter. Sein knochiges Gesicht war
von grauer Haut überspannt. Viele fingen an zu kichern, einige stimmten einen
leisen Gesang an. Es waren Verrückte, die hier zusammengepfercht waren, aber
sie waren nicht alle irr. Einige machten einen erstaunlich vernünftigen
Eindruck. Sie verhielten sich fast normal und sprachen auch so.
    Alle aber
waren sehr schwach. Die meisten konnten sich kaum richtig auf den dürren Beinen
halten.
    Larry Brent
blieb stehen und hielt den Atem an. Er rührte sich nicht vom Fleck.
    Die anderen
wurden unsicher.
    „Da ist
niemand“, sagte der Alte wieder.
    Und sie
nickten oder winkten ab, hockten weiter stur oder plappernd herum.
    Überall in
den Ecken und Nischen des ausgedehnten Gewölbes waren sie untergebracht.
    X-RAY-3
bewegte sich fast lautlos. Er kam dicht an den anderen vorüber, und berührte
sie sogar. Aber sie merkten nicht, daß es ein Fremder war. Sie glaubten, sie
stießen gegen einen der ihren. Niemand außerhalb dieser mächtigen Mauern ahnte
etwas vom Schicksal dieser unglücklichen Menschen. Und selbst wenn sich eine
Regierungs-Inspektion im Castle aufgehalten hätte, keiner würde etwas bemerkt
haben. Auch nicht, wenn die Eingeschlossenen gemeinsam lautstark gebrüllt
hätten, wäre der geringste Laut in einen der Schloßräume gedrungen. Diese
massiven Mauern verschluckten alles.
    Larry näherte
sich dem Alten, der noch den vernünftigsten Eindruck machte. Er hockte wieder
auf seinem
    Strohlager
und starrte stumpfsinnig vor sich hin, seinen Oberkörper hin und her wiegend.
    „Ich bin neu
hier“, sagte Larry leise und bedrückt und tastete mit unsicheren Fingern nach
der sitzenden Gestalt. Der Alte hob nicht mal den Kopf. Er hätte doch nichts
gesehen.
    „Wo bin ich
hier“, fuhr Larry mit schwacher Stimme fort.
    „Irgendwo in
einem Gewölbe“, erhielt er zur Antwort, aber das wußte er auch ohnehin. „Immer
wieder kommen welche. Deine Stimme hört sich noch ziemlich jung an.“
    „Ich bin noch
jung.“ Brent nannte sein Alter.
    Der andere
nickte und meinte mit schnarrender Stimme: „Ich war noch jünger als du, als man
mich hierher brachte. Ich war zwanzig.“
    Und jetzt
hatte X-RAY-3 einen ausgetrockeneten und klapprigen
Greis vor sich!
    „Wie heißt
du?“ wollte der Alte wissen.
    Er tastete
nach Larrys Hand. „Deine Hände sind jung und stark. Du mußt sehr kräftig sein,
aber das wird sich schnell ändern. Bei dem Essen hier.“
    „Ich heiße
Larry“, sagte X-RAY-3, auf die Frage des Alten eingehend. „Wie heißt du?“
    „Weiß ich
nicht mehr. Das ist schon so lange her, seit ich das letzte Mal mit meinem
Namen angesprochen worden bin. Sag einfach Du zu mir. Hier unten sind wir doch
alle gleich.“
    „Wie lange
bist du schon hier?“
    „Das weiß ich
nicht. Zwanzig Jahre? Dreißig? Ich habe anfangs versucht, zu erkennen, wieviel
Tage, wieviel Nächte in meiner Dunkelheit wohl vergangen sind. Ich richtete
mich nach Schlafen und Wachen und merkte mir die Zahl. Aber dann habe ich sie
vergessen und nicht weitergezählt. Vielleicht sind es auch vierzig Jahre, oder
fünfzig? Ich weiß es wirklich nicht. Ich merke nur, daß ich alt bin - und ich
merke den Lauf der Zeit
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