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099 - Der steinerne Gott

099 - Der steinerne Gott

Titel: 099 - Der steinerne Gott
Autoren: Dämonenkiller
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nicht?" stammelte Dorian. „Er ist nur noch ein Mythos?"
    „Hermon selbst weilt längst nicht mehr in diesem Tempel", erklärte Grettir. „Niemand weiß, wann und wohin er verschwunden ist. Doch sein System funktioniert. Er hat einen Hüter für seine Macht eingesetzt, der in seinem Namen handelt, dem alle Errungenschaften des Hermon zur Verfügung stehen. Irgendwann wurde der erste Nachfolger Hermons von einem Berufenen abgelöst, der alle Eigenschaften besaß, um das Erbe des Dreimalgrößten übernehmen zu können. Ich habe nie erfahren, der wievielte Hermon ich bin. Aber das zählt nun nicht mehr. Jetzt ist die Zeit gekommen, daß ich abgelöst werde. Sie, Dorian Hunter - oder auch Gunnarsson - werden von nun an Hermes Trismegistos sein und in seinem Namen die Geschicke der Menschheit zu lenken versuchen. Sie werden gottähnlich sein. Aber so verlockend das klingt, es gibt auch eine Kehrseite der Medaille."
    „Sie haben sich tapfer gegen uns gewehrt", sagte Dorian. „Sie haben es uns so schwer wie möglich gemacht, zu Ihnen vorzudringen."
    „Das hat Hermes Trismegistos so bestimmt. Das waren erforderliche Tests, um die Auserwählten auf ihre Eignung zu prüfen", erklärte Grettir. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich war, als Sie und Gunnarsson diese Prüfungen bestanden. Sie mögen mir glauben oder nicht, falls Sie meine Nachfolge antreten, dann werden Sie die Wahrheit meiner Worte bald erkennen."
    „Das verstehe ich noch nicht ganz", sagte Dorian. „Was mißfällt Ihnen daran, Hermon zu sein? Sie haben alle erdenkliche Macht. Und wenn Sie auch anonym bleiben, so haben Sie doch die Gewißheit, der Menschheit im Kampf gegen die Mächte des Bösen zu dienen."
    „Macht bedeutet auch Verantwortung", sagte Grettir müde. „Ja, am Anfang fand ich es erhebend, die Fäden zu ziehen, für die Menschen Schicksal zu spielen und die Dämonen in ihre Schranken zu weisen. Der Kampf gegen die Horden der Finsternis füllte mein Leben aus. Aber dann kam der Zeitpunkt, da mir bewußt wurde, daß ich selbst nur ein Sterblicher war, ein Mensch mit all seinen Fehlern und Schwächen. Der Tempel wurde mir zum Gefängnis. Ich konnte das pulsierende Leben auf der Erde nur beobachten, aber es war mir nicht gegönnt, daran teilzuhaben. Was ich sage, mag sich rührselig anhören, wie die Träumerei eines senilen Alten. Sie müssen erst meine Einsamkeit kennenlernen, um sie verstehen zu können. Hermon sein, bedeutet Einsamkeit. Hunter, falls Sie meine Nachfolge antreten, dann werden Sie zum einsamsten Wesen des Universums."
    Grettir hielt erschöpft inne. Das war also Hermes Trismegistos: ein uralter einsamer Mann, seiner Macht müde.
    Dorian versuchte, sich in ihn hineinzuversetzen, sich in die Rolle des Hermes Trismegistos hineinzudenken. Da besaß er nun die Macht, nach der er gestrebt hatte. Endlich konnte er die Dämonen im großen Stil bekämpfen, brauchte nicht mehr zu befürchten, daß er aus dem Hinterhalt getötet wurde. Denn der Tempel bot ihm absoluten Schutz gegen die Mächte der Finsternis. Er brauchte nicht mehr in ständiger Angst zu leben.
    Doch der Preis dafür war, daß er den Tempel nicht verlassen durfte. Ein hoher Preis. Ja, es war ein sehr hoher Preis, auf alles zu verzichten, was das Leben lebenswert machte. Grettir war ein abschreckendes Beispiel für ihn.
    „Ich glaube, ich beginne zu verstehen", sagte Dorian. „Mich würde das Dasein als Hermes Trismegistos so hart treffen wie Sie, denn auch ich bin ein Abenteurer."
    Dorian verstummte, als er entdeckte, daß er allein war. Der Alte hatte sich heimlich hinausgeschlichen.
    „Dorian!"
    Der Dämonenkiller wirbelte herum. Im Eingang stand Magnus Gunnarsson. Er schien zu allem entschlossen.
    „Na, glauben Sie mir jetzt, daß nur einer von uns überleben darf?" fragte Gunnarsson. „Denn es kann nur einen Dreimalgrößten Hermes geben."
    Dorian lehnte sich gegen den Marmortisch und betrachtete den Isländer. Gunnarsson war längst nicht mehr der Weltmann, als der er in der Öffentlichkeit aufgetreten war. Er legte keinen Wert mehr auf gepflegte Sprache und schöne Floskeln. Er entpuppte sich als Fanatiker, der, um sein Ziel zu erreichen, auch über Leichen ging. In seinen eisblauen Augen war ein irres Glitzern.
    „Warum sagen Sie nichts, Dorian?" fragte Gunnarsson. „Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, als Sie erfuhren, daß nicht der Posten eines Dieners, sondern der des Hermes Trismegistos ausgeschrieben ist? Das hätte sich keiner
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