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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen
Autoren: Simon Borner
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Gefährtin um. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten, rechts oder links war. Seine Umgebung hatte für ihn sämtliche Konturen verloren, denn erst nach und nach nahmen seine Sinne ihren Dienst wieder auf. Doch er wusste, dass Nicole in Schwierigkeiten war. Dass sie ihn brauchte. Jetzt sofort.
    Da!
    Sie stand direkt vor dem Riss in der Wirklichkeit. Jennings hielt sie. Er musste unmenschlich stark sein, denn Nicole wehrte sich wie eine Berserkerin und kam doch nicht gegen die Umklammerung des optisch so schmächtigen Kurators an.
    »N… Ni…«, stieß Zamorra hervor, rappelte sich mühsam wieder auf. »Nicht!«
    »Kann mir einer der Gentlemen vielleicht mal erklären, welches absurde Stück Sie hier aufführen?«, erklang plötzlich eine neue, sehr tadelnde und sehr affektiert klingende Stimme hinter dem Professor. »Und wo in aller Welt sind die Einwohner City Islands, vor denen ich hier sprechen soll, hä?«
    Als der Besitzer der Stimme neben ihn trat, erkannte Zamorra ihn. Das war John Roslyn, der Bürgermeister New York Citys! Wo in aller Welt kam der auf einmal her?
    Die unerwartete Ankunft des Politikers schien auch Jennings zu irritieren. Verwirrt sah der wahnsinnige Kurator zu Roslyn.
    Dieser trat noch weiter vor - und Zamorra begriff!
    »Vorsicht!«, rief der Dämonenjäger. »Sie dürfen nicht…«
    Doch es war zu spät. Mit der ihm eigenen Ignoranz gegenüber allem, was er nicht wahrhaben wollte, war John Roslyn in den Schein des Spiegels getreten, das Splitterlicht. Nun blieb er so ruckartig stehen, als wäre er ein Roboter, den man ausgeschaltet hatte. Seine Züge verformten sich zu einer Maske des stummen Entsetzens.
    Zamorra reagierte auf die einzige Weise, die ihm noch blieb. Er fokussierte seine letzte Kraft auf das Splitterlicht, das den Bürgermeister fixiert hielt. Haardünne, energetische Blitze aus weißer Magie schossen in den leeren Raum zwischen Roslyn und der Quelle des Glühens, dem Tränensplitter in Jennings’ grausamen Spiegel. Der Professor konzentrierte sich weiter und warf Nicole einen Blick zu.
    Seine Gefährtin verstand sofort. Sie war dankbar, dass sie nach Amys Verschwinden sofort den Sternenstein so in die Tasche gesteckt hatte, sodass sie jetzt danach greifen konnte. Um den Dhyarra so zu nutzen, wie Zamorra es wollte, musste sie sich nun noch genau vorstellen, was sie mit der Sternsteinmagie zu erreichen hoffte: Roslyn aus dem Einfluss des höllischen Relikts zu befreien. Sie…
    »NEIN!!!«
    Es waren einige Sekunden verstrichen, seit Zamorra den Jennings-Spiegler zuletzt wahrgenommen hatte. Nun aber hechtete die Hülle mit dem Aussehen des Kurators vor. Zorn und Verzweiflung kämpften auf dem eigenartigen Gesicht um die Vorherrschaft. Der Doppelgänger sprang auf Zamorra zu, prallte gegen den Schutzschild und raubte der Magie des Professors für einen Herzschlag den Fokus.
    Dafür jedoch hatte er Nicole losgelassen - und die konnte sich jetzt voll und ganz auf das Bild konzentrieren, das sie mithilfe ihres Dhyarras umsetzen wollte!
    Roslyn schrie!
    Mit einem Mal stand der Bürgermeister New Yorks in Flammen - zumindest sah es so aus. Elmsfeuer gleich, glitten die Lichtblitze, die vom Tränensplitter ausgingen, über seinen Körper.
    Sie lösen ihn auf, schoss es dem Meister des Übersinnlichen durch den Kopf. Sie vernichten ihn.
    Dann war es auch schon geschehen. Die Energie des Splitters fokussierte sich ganz und gar auf den, der vor ihm stand, wer immer es auch war. Sie entkörperte John Roslyn, machte ihn zu einem wabernden Ball grauen Nebels - und der Dimensionsriss riss diesen sofort in sich!
    ***
    Fassungslos sah Nicole auf die Stelle, an der eben noch der Bürgermeister gestanden hatte. Jetzt stand da nichts.
    Nicht einmal der Riss in der Wirklichkeit war noch da, Zeugnis von dem grauenvollen Schauspiel abzulegen.
    Und es war noch nicht vorbei!
    Mit einem Mai wuchs der Sturm, der den Hof des Museums durchfegte, zu einem regelrechten Taifun an. Bäume wurden entwurzelt, als wären sie Spielzeug. Die Bühnendecke riss sich von ihren Stützen los und wurde fortgeweht, bis sie krachend gegen die Museumsmauer prallte und gleich fünf Fenster auf einmal zerstörte. Selbst den alten Jennings riss es von den Beinen.
    Diese Chance nutzte Nicole. Sie wollte gerade auf springen und Zamorra zu Hilfe eilen, als ein weiterer Lichtstrahl aus der Wolkendecke schoss. Dieser fiel auf den Spiegel.
    Zamorra schien zu wissen, was er zu tun hatte. Er sprang vor und ließ die
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