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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen
Autoren: Simon Borner
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krachend. Nicole zuckte zusammen und wandte den Kopf ab, doch Lyle trat begeistert auf die Brandstellen zu. Keinen Sekundenbruchteil später befanden sich dort oval anmutende, gut einen Meter Durchschnitt messende Formen aus Nebel - einfach so.
    Dimensionsrisse, begriff Nicole. Die Dinger aus dem Restaurant. Die, aus denen Wampage und seine Spießgesellen kamen, um die hiesige High Society zu töten.
    Lächelnd sah Lyle Jennings zu seiner Gefangenen. »Miss Duval«, sagte er. »Ihr Taxi ist da.«
    ***
    Zamorra sah sie aus einem der Fenster. Draußen im Hof des Museums, wo der Sturm gerade erfolgreich dagegen ankämpfte, dass die Jubiläumsfeier City Islands stattfinden konnte, war Nicole! Sie stand auf der behelfsmäßigen Bühne, die Jennings gezimmert hatte. Irgendjemand hatte sie an einen der Stützpfeiler gefesselt, die das Dach der Bühne hielten. Neben ihr stand Jennings selbst, ein Rednerpult - und der Spiegel. Der, von dem Andy berichtet hatte. Der, der von Bord dieser Jacht gestohlen worden war.
    Im Rahmen des klobigen Stücks glühte ein Stein. Zamorra musste ihn nur sehen, um zu begreifen, was er in Wirklichkeit war: ein Tränensplitter LUZIFERs. Hier in New York. War das die Erklärung, die er seit Monaten suchte? Der gemeinsame Nenner all seiner jüngeren Abenteuer im Big Apple?
    Neben dem Spiegel formten sich gerade zwei der eigenartigen Dimensionsrisse, die schon im Seafood Salon und an der Küste aufgetreten waren, zu einem.
    Und mit einem Mal ahnte der Meister des Übersinnlichen, was hier gespielt wurde. Sein Traum - er war treffender gewesen, als er vermutet hatte. Miss Liberty, dieses Sinnbild New Yorks, rächte sich an ihm.
    Und nun kostete der Traum Nicole fast das Leben!
    Im Nu war der Professor aus dem Fenster gesprungen und auf der Museumswiese gelandet. »Jennings!«, rief er zur Bühne hinüber. »Hören Sie auf, Mann. Sehen Sie nicht, was Sie da tun?«
    Löcher in die Wirklichkeit reißen. Höllischen Zorn auf New York niedergehen lassen. Vernichtung bringen.
    Das Amulett tat erneut seinen Dienst, auch wenn es dem Professor mittlerweile schwerfiel. Der Schild kostete ihn weitaus mehr Kraft, als er eigentlich noch abzugeben imstande war. Dennoch: er musste!
    Der Kurator wirbelte herum. Verzückung lag auf seinen Zügen, und in seinen Augen las der Professor völlige Selbstaufgabe und Wahnsinn. Ein dünner Speichelfaden troff von Jennings dümmlich bebender Oberlippe. »Was?«
    »Hören Sie auf«, rief Zamorra erneut. Langsam trat er näher, den Blick fest auf den Mann und den wabernden Riss in der Wirklichkeit gerichtet. »Noch ist es nicht zu spät.«
    Ein Blick in Nicoles Augen sagte Zamorra, dass sie okay war und ebenfalls soeben auf Merlins Stern hatte zurückgreifen wollen. Stumm verständigten er und sie sich aber darüber, dass Zamorra es zunächst selbst versuchen sollte.
    »Aufhören?« Jennings lachte. »Monsieur, Sie missverstehen die Lage. Wir fangen gerade erst an.«
    Es knallte. Zamorra sah zur Seite und erkannte, dass ein Blitz - sofern man das dämonische Schauspiel am Himmel über City Island mit derlei normalen Begriffen beschreiben mochte - in den Spiegel gefahren sein musste. Das Ding glühte nun mehr denn je, und aus seiner Mitte erwuchs eine Gestalt, ähnlich wie Amy aus dem Spiegel im Museumsinneren.
    Es war aber nicht Amy. Sondern Lyle. Noch mal.
    »Hallo Zamorra«, grüßte das Spiegelbild voller Hass. Es sah wirklich aus wie der Kurator, doch war es sichtlich hohl. Mund, Augen, Nasenlöcher - nichts befand sich hinter der Fassade aus Haut, das sah Zamorra deutlich. Zumindest nichts außer hell loderndem Höllenfeuer…
    »Kennen wir uns?«, fragte der Meister des Übersinnlichen. Irgendwie schien ihm hier etwas zu entgehen. Etwas, dessen sich sein Gegner allerdings nur zu genau bewusst war.
    Der unheimliche Doppelgänger schwieg und grinste triumphierend.
    Jennings - der echte - schien die Präsenz seines kernlosen Ebenbilds eigenartigerweise gar nicht wahrzunehmen. Auch Nicole wirkte, als könne sie nicht sehen, mit wem sich ihr Partner gerade unterhielt.
    Kann das sein? Ist dieser zweite Jennings nur für mich zu erkennen?
    Zamorra beschloss, für den Moment davon auszugehen und entsprechend zu agieren. »Sie müssen das nicht tun, Lyle«, redete er auf den Kurator ein. »Was immer er Ihnen sagt, Sie müssen ihm nicht gehorchen. Ich weiß jetzt Bescheid und kann Sie schützen.«
    Jennings schüttelte den Kopf. Er wirkte so enttäuscht, als hätte er seinem
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