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0966 - Der Weg des Jägers

0966 - Der Weg des Jägers

Titel: 0966 - Der Weg des Jägers
Autoren: Oliver Fröhlich und Stefan Albertsen
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leise knarzte. Die Hände hatte er lässig in die Taschen der ebenfalls schwarzen Jeans gesteckt.
    Der Kerl besaß die gleiche bösartige Ausstrahlung wie der Blutsauger aus dem Film. Doch er war ungleich schlimmer. Denn er war echt!
    »Verschwinden Sie endlich. Sie bekommen das Kind nicht. Niemals!« Papas Stimme zitterte. Hatte er etwa auch Angst? Sein Vater, der sonst nichts fürchtete?
    Der Fremde lächelte und entblößte ein strahlend weißes Gebiss. Für einen kaum wahrnehmbaren Moment schien sich eine raubtierhafte Maske über seine Züge zu legen. Keine Vampirzähne, aber das machte es trotzdem nicht viel besser.
    »Ich habe einen Vertrag, Herr Kerth. Unterschrieben von Ihrer Frau! Ich habe meinen Teil der Vereinbarung eingehalten, und nun sollte sie das Gleiche tun.«
    Papas Gesicht lief so rot an, dass Leon es selbst aus seinem Versteck heraus sehen konnte.
    »Aber Sie haben sie getäuscht und betrogen!«
    Der Besucher zuckte mit den Achseln. »Na und? Das ist es nun einmal, was unsereiner tut, Herr Kerth. Und es gibt noch etwas anderes, das wir tun, wenn wir nicht bekommen, was wir wollen.«
    »Sie drohen uns?«
    Der Fremde lachte. »Vielleicht tröstet es Sie, wenn Sie vor Ihrem Tod wissen, dass bisher noch keiner meiner Vertragspartner seinen Teil der Abmachung freiwillig eingehalten hat. Sie befinden sich also in guter Gesellschaft.«
    Diesen Worten folgte ein Grollen, das tief aus dem Innersten des Mannes im Ledermantel emporstieg. Der Besucher - der Eindringling? - riss den Mund auf und fingerlange spitze Zähne kamen zum Vorschein. Leon wich vom Geländer zurück, prallte gegen die Wand und stieß ein entsetztes Keuchen aus.
    Der Vampir! Also doch. Es gibt ihn!
    Die Beine gaben unter ihm nach und er sackte in sich zusammen. Das konnte nicht geschehen. Es gab keine Vampire. Es - gab - keine - Vampire!
    Schreie erklangen. Leon wollte sich die Ohren zuhalten, aber er war wie erstarrt.
    Ein Fauchen übertönte das Kreischen seiner Mutter. Papa brüllte etwas Unverständliches und brach mitten im Wort ab. Dann folgte ein Laut wie von einem brechenden Ast. Und dann einer, als würde jemand einen Mopp in einen Wassereimer stoßen.
    Übelkeit schoss in Leons Speiseröhre empor. Er würgte, schluckte und schloss die Augen, so fest er konnte. Die Geräusche rissen nicht ab. Finger, die im Matsch wühlten, Schmatzen, Schlürfen.
    Es - gibt - keine - Vampire!
    Endlich gehorchten ihm die Hände und er presste sie gegen die Ohren.
    Ich träume!
    Ich träume!
    Ich muss träumen! Das kann nicht wirklich geschehen.
    Nach einer Ewigkeit ließ Leon die Arme sinken.
    Es war still im Haus!
    Doch dies war nicht die Stille, die Papa so oft eingefordert hatte, wenn er nach einem langen Arbeitstag nach Hause gekommen war. Nein, sie war anders!
    Leon war erst 12 Jahre alt, aber in diesem Moment endete seine Kindheit. Dem neu erwachten Erwachsenen in ihm wurde klar, dass es die Stille des Todes war, die ihn umgab.
    Eine neue Woge aus Angst und Panik wallte in ihm auf. Sie wollte ihn antreiben, in den Schrank zurückzukehren, wollte ihn dazu bringen, lauthals zu schreien oder einfach nach unten zu rennen, um nach Mama und Papa zu sehen. Doch das alles schaffte sie nicht.
    Leon kroch von der Wand zum Geländer, sodass er wieder ins Wohnzimmer blicken konnte.
    Der helle Teppichboden hatte sich in einen See aus dunklem Rot verwandelt.
    Den Jungen schwindelte und abermals fühlte er die schreckliche Übelkeit, die sich ihren Weg ins Freie bahnen wollte.
    Geräusche drangen an seine Ohren.
    Schritte.
    Fassungslos sah Leon den Fremden, wie er das Wohnzimmer verließ und die Haustür ansteuerte. Er pfiff ein Liedchen vor sich hin, während er sich mit einem Taschentuch über das Gesicht wischte. Mit jeder Bewegung färbte sich der helle Stoff roter und roter und verschwand in der Jackentasche, als der Besucher den Ausgang erreichte. Er richtete den Mantelkragen, strich sich einmal durch das Haar und öffnete die Tür.
    Gerade, als er das Haus verlassen wollte, blieb er unvermittelt stehen.
    Leon zuckte zusammen und presste die Hände vor den Mund.
    Bitte, bitte, geh weg, bitte.
    Es schien so, als wäre dem Fremden etwas eingefallen, denn er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Na so was! Ich werde wohl alt!« Er kicherte, als habe er einen besonders guten Witz gehört. »Da hätte ich doch beinahe eine Kleinigkeit vergessen.«
    Der Unheimliche schloss die Tür und kreiselte blitzartig herum. Er legte den Kopf in den
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