Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0961 - Nähre deine Wut!

0961 - Nähre deine Wut!

Titel: 0961 - Nähre deine Wut!
Autoren: Oliver Fröhlich
Vom Netzwerk:
erwachsen war.
    Doch kaum war der Gedanke gedacht und die letzte Träne auf den Höhlenboden gefallen, glaubte er etwas zu hören. Oder nein, vielmehr spürte er es.
    Einen Ruf, zart nur und kaum zu vernehmen. Aber nun, da er ihn bemerkt hatte, vermochte er ihn nicht mehr zu ignorieren. Jemand oder etwas zog ihn zu sich hin.
    Angst kam in ihm auf. War der Ruf gut oder böse? Und was wäre ihm lieber?
    Er rollte sich zusammen, versuchte zu schlafen, doch es war aussichtslos. Der Drang, der geheimnisvollen Anziehungskraft zu folgen, wurde stetig stärker. Schließlich gab er ihm nach.
    Fooly verließ seine Höhle, stieg auf in den wolkenbedeckten Himmel und ließ sich von der fremden Macht leiten.
    (So, wie mich früher der Geruch eines Schinkens geleitet hat.)
    Er verscheuchte den albernen Gedanken. Er war eines erwachsenen Drachen nicht würdig.
    Der Flug dauerte einige Stunden, doch mit jeder einzelnen Minute, die verging, wurde der Ruf lauter, intensiver, süßer und lockender. Plötzlich erkannte er Einzelheiten der Landschaft, die er überflog. Eine Burgruine. Spooky Castle. Etwas später ein intaktes Schloss: Llewellyn-Castle. Unter ihm lag Schottland!
    Es verstrichen weitere Minuten.
    Da vorne! Dort lag Loch Ness! Und darüber…
    Ihm stockte der Atem, als er das riesige Gebilde am Himmel entdeckte. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Aber doch entsprach es der Wahrheit.
    Über dem See schwebte ein gigantisches Weltentor! Von ihm ging der Ruf aus.
    Instinktiv wusste er, was auf der anderen Seite lag. Seine Heimat, das Drachenland.
    Hatte sich der Durchgang nur für ihn geöffnet? Oder befand er sich immer an dieser Stelle und war für Menschen oder unberechtigte Drachen lediglich unsichtbar? Warum konnte er ihn nun sehen? Und wieso rief er nach ihm? Hieß das, dass er erwachsen genug war, um nach Hause zurückzukehren? Hatte er in dem Kokon seiner Haut einen so großen Entwicklungssprung gemacht?
    Egal. Was zählte, war nur, dass das Weltentor ihn erwartete.
    Wieder zogen sich der Hass und die Dunkelheit zurück. Nun war er erfüllt von gespannter Erwartung. Während er auf den Durchgang zuflog, dachte er an Rhett, seinen besten Freund. Und an William, der dem am nächsten kam, was man einen Vater nennen könnte.
    (Und vergiss Zamorra und dessen Amulett nicht!)
    Kurz wollte die Wut erneut aufwallen, aber er ließ es nicht zu.
    Er flog nach Hause! Sein Herz sang vor Freude.
    Genau bis zu dem Augenblick, als er das Tor erreichte und davon abprallte wie von einer massiven Mauer. Schmerzen loderten durch seinen Körper, die Dunkelheit in seinem Leib erwachte aufs Neue. Sie schrie hinaus in die Welt. Triumphierte.
    Fooly trudelte dem See entgegen und konnte sich im letzten Moment abfangen.
    »Nein!«
    Eine Feuerlohe schoss ihm aus dem Maul, verdampfte Dutzende von Hektolitern Seewasser und hüllte die Umgebung in dunstigen Nebel.
    Er unternahm einen weiteren Versuch, rannte gegen das weit geöffnete Tor an, wieder und wieder und wieder und wurde dennoch stets abgewiesen. Trotzdem wurde der Ruf immer drängender, lockender und lauter, bis er gar zu einem ohrenbetäubenden Crescendo anschwoll.
    Die Dunkelheit in ihm loderte durch seinen Körper wie eine tiefschwarze Flammenwalze.
    Das war es! Deshalb durfte er nicht passieren. Er war zwar nun erwachsen genug, aber solange dieses fremde Böse in ihm schlummerte - ach was: tobte! -, wies der Durchgang ihn ab.
    Das Böse, das Zamorra ihm erst eingepflanzt hatte.
    Er stieg in den Himmel, brüllte, weinte und spie Feuer. Dann drehte er ab und flog davon, so schnell er konnte. Ließ das Tor in die Heimat hinter sich zurück.
    Wie in Trance folgte er seinem Instinkt. Noch bevor er sich bewusst wurde, wohin sein Weg ihn führte, entdeckte er unter sich das Château Montagne.
    Rhett! Vielleicht konnte der Erbfolger ihm helfen, die Dunkelheit loszuwerden. Oder Zamorra.
    Doch wollte er das überhaupt? Wollte er den Meister des Übersinnlichen nicht viel lieber auf kleiner Flamme rösten? Ihn für das bezahlen lassen, was er ihm angetan hatte?
    Er sank hinab, um im Burghof zu landen. Doch wieder erlebte er eine böse Überraschung, die bei genauer Betrachtung gar keine war. Die M-Abwehr schleuderte ihn zurück! Auch sie ließ das Böse in seinem Inneren nicht passieren.
    Senkrecht schoss er in die Höhe. Er brüllte vor Wut, spie ziellos Flammen und Beschimpfungen aus, bevor er abdrehte. Doch damit wollte er es nicht bewenden lassen.
    »Ich komme wieder!«, donnerte er.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher