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096 - In Soho regiert der Tod

096 - In Soho regiert der Tod

Titel: 096 - In Soho regiert der Tod
Autoren: A.F.Morland
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getötet.
    So sah ich die Situation. Aber ich irrte mich in einigen Punkten. Glücklicherweise auch in jenem, der Cruv betraf, denn der Gnom schlug in diesem Moment die Augen auf.
    »Tony…«, kam es langsam und stockend über seine Lippen. Er setzte sich benommen auf.
    »Was ist passiert, Cruv?« fragte ich mit belegter Stimme.
    Er erzählte es mir. Sein Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen. Meine Rückkehr mußte den Mann verscheucht haben. Sein Schlag hatte Cruv betäubt, aber er hatte dem Gnom nicht den Rest geben können.
    Der Kleine stand auf. Er schwankte ein wenig, deshalb wollte ich ihn stützen, aber er wies meine helfende Hand ab.
    »Laß nur, Tony, es geht schon wieder.«
    Er nahm seinen Stock auf und wandte sich suchend um.
    »Wenn du deine Melone suchst…«, sagte ich. »Sie hat etwas von ihrer ansehnlichen Form eingebüßt. Ich habe sie in der Dunkelheit nicht gesehen, bin draufgetreten.«
    »Wo liegt sie?«
    »Dort hinten.« Ich wies mit dem Daumen in die entsprechende Richtung.
    Der Kleine holte sich die ramponierte Kopfbedeckung und beulte sie aus, indem er die Faust hineinstieß.
    Er setzte sich die Melone auf, und wir machten uns auf den Weg zum Haus des Totengräbers, der nach Cruvs Worten besessen sein mußte.
    Das Licht, das aus den Fenstern fiel, leuchtete uns schon von weitem entgegen.
    »Wenn wir den Totengräber vor uns haben, läßt du mich die Arbeit tun, okay?« sagte ich zu Cruv. »Du hast bereits genug getan. Jetzt schonst du dich, klar?«
    Der Kleine nickte. »Ich greife nur ein, wenn du allein nicht mit ihm fertig wirst.«
    »Einverstanden«, sagte ich! Je näher wir dem Gebäude kamen, desto leiser redete ich.
    Da der Totengräber kein Dämon war, sondern ein Mensch, der keinen eigenen Willen mehr hatte, durften wir ihn für seine Taten nicht verantwortlich machen.
    Er konnte nichts für das, was er tat. Eine böse Kraft leitete ihn. Das erschwerte meine Aufgabe.
    Einen Dämon hätte ich eiskalt vernichtet. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte ich ihm den Garaus gemacht.
    Aber dem Totengräber durfte ich nichts tun; ich mußte sein Leben schonen. Ich durfte keinem Unschuldigen das Leben nehmen.
    Ich war gezwungen, auf den Mann Rücksicht zu nehmen, konnte nicht mit voller Kraft gegen ihn angehen, während er solche Hemmungen nicht haben würde.
    Wir erreichten das Gebäude. Ich näherte mich einem der erhellten Fenster und warf einen Blick ins Haus.
    Ich sah in einen armselig eingerichteten Raum, in dem sich niemand aufhielt.
    Es war möglich, daß der Totengräber sich irgendwo auf dem Friedhof versteckt hatte. Er konnte hinter einem Grabstein lauern oder sich in einer Gruft verborgen haben.
    Er konnte sich im Moment aber auch in einem anderen Raum aufhalten, deshalb beschloß ich, mich erst in diesem einsamen Haus am Rande des Friedhofs nach dem Besessenen umzusehen.
    Wir begaben uns zur Haustür. Sie war nicht abgesperrt, nicht einmal ganz geschlossen.
    An der Tür stand ein Name: JON MORELL.
    Ich klopfte laut und vernehmlich. Wir brauchten nicht leise zu sein. Der Totengräber rechnete bestimmt mit unserem Besuch.
    »Mr. Morell!« rief ich ins Haus, nachdem ich die Tür geöffnet hatte.
    Keine Antwort. Natürlich nicht.
    »Er tut so, als wäre er nicht da«, sagte ich zu Cruv. »Und wenn wir uns dann sicher fühlen, fällt er plötzlich mit seiner verdammten Spitzhacke über uns her.«
    »Vielleicht treibt er sich noch auf dem Friedhof herum«, bemerkte Cruv. Das Licht, das auf ihn fiel, ließ sein Gesicht heute noch zerknitterter aussehen als sonst.
    »Wir werden sehen«, gab ich zurück. »Du hältst dich an das, was ich gesagt habe, okay? Ich verlasse mich darauf.«
    Der Gnom nickte. »Kümmere dich nicht um mich, Tony. Ich paß schon auf.«
    Wir traten ein. Da ich nicht erpicht darauf war, daß mir der Totengräber mit seiner Spitzhacke den Schädel einschlug, bewegte ich mich im Zeitlupentempo, und ich sah mich sehr genau um.
    Ich öffnete eine Tür. Küche…
    Nächste Tür. Abstellraum… Ich machte Licht. An den Wänden standen Holzregale, deren Bretter sich unter der Last von Einweckgläsern durchbogen.
    Cruv zupfte mich am Ärmel. »Tony!« raunte er mir zu.
    Er hatte ein Geräusch vernommen. Ich auch. »Bleib hier stehen«, flüsterte ich und betrat das Wohnzimmer.
    Ein Tisch, ein Stuhl lagen auf dem Boden. Hatte hier ein Kampf stattgefunden? Hatte sich Jon Morell gegen Arma gewehrt? Er hatte von Anfang an keine Chance gehabt.
    Man brauchte schon sehr viel
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