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0958 - Der Keller

0958 - Der Keller

Titel: 0958 - Der Keller
Autoren: Jason Dark
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der Wind schnappte nach uns wie die kalten Pranken eines Raubtiers. Er fegte in unsere Gesichter. Der Osten hatte alle Tore geöffnet, und auch die am Himmel stehende Sonne brachte kaum Wärme.
    »Wenn es Frühling wird, gebe ich einen aus«, sagte Harry, als er auf seinen Dienstwagen zulief, der zwischen zwei leeren Steinschalen parkte.
    »Ich auch.«
    Harry schloß auf. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und streckte die Beine aus. »Zuerst zum Krankenhaus und mit der Zeugin sprechen. Und was machen wir danach?«
    »Es könnte sein, daß wir uns dann einen Platz für die Nacht suchen, John.«
    »Wieso? Ich habe einen. Es ist zwar kein Luxushotel, aber ich bin mit dem Bett zufrieden.«
    Harry fuhr an. »Es lobt den Mann die Arbeit und die Tat«, zitierte er.
    Damit kam ich nicht zurecht. Er sah, wie ich den Kopf schüttelte und gab eine Erklärung ab: »Dieser Spruch steht an dem Gebäude, das möglicherweise unser nächstes Nachtlager werden kann.«
    »Meinst du?«
    »Ich sehe nur diese Chance. Und ich will dir ehrlich sagen, daß ich allein kalte Füße bekommen hätte. Das Haus ist ein gewaltiger Sarg, ein Moloch, ein Schlund, der alles frißt und auch verdaut.«
    »Zählst du die Menschen dazu, Harry?«
    »Sicher, John…«
    ***
    Das Krankenhaus, in dem die Zeugin untergebracht war, konnte man nicht eben als eine Offenbarung betrachten. Wenn es innen so aussah wie außen, dann gute Nacht. Die alte Fassade war zum Teil abgeblättert, so daß die Ziegel zum Vorschein gekommen waren. Es sollte wohl bald renoviert werden; an einer Seite war bereits ein Gerüst errichtet worden.
    Wir hatten den Parkplatz gefunden und stiegen aus. Der Wind fegte zwischen den kahlen Bäumen hindurch und erwischte auch unsere Gesichter. Die Kälte zu verfluchen, hatte keinen Sinn, laut Wetterbericht blieb sie noch ein paar Tage.
    Eine Glastür mußten wir aufdrücken, und einige Schritte später hatte ich wirklich das Gefühl, in einem Krankenhaus zu stehen, denn es roch genauso.
    Von einer modernen Klinik war hier nicht viel zu spüren. Düstere Wände, ein alter Aufzug, ein ebenfalls altes Treppenhaus. Die Bänke und Stühle im Eingangsbereich waren von Kranken und Besuchern besetzt.
    Alles sah ziemlich traurig und irgendwie abgewirtschaftet aus. Ich überließ Harry Stahl die Formalitäten. Er sprach mit einer Schwester an der Anmeldung, die sich alles anhörte, um danach zum Telefonhörer zu greifen.
    »Wen ruft sie an?« fragte ich.
    »Den Stationsarzt.«
    »Und warum?«
    »Ich möchte vorher mit ihm reden. Vielleicht kann er uns ja mehr über die Frau sagen.«
    Wir griffen nach jedem Strohhalm und hatten auch diesmal Glück. Der Stationsarzt war ein gewisser Dr. Klinger, der uns in der zweiten Etage erwarten würde.
    Wir bedankten uns und gingen die Treppen hoch. Den Fahrstuhl überließen wir anderen. In der zweiten Etage sahen wir die Glastür, deren rechte Hälfte offen stand. Der Name Dr. Klinger fiel uns ins Auge. Er war in großen Buchstaben an die Wand gemalt worden, um zu zeigen, wer hier auf der Station der Chef war.
    Wir fanden den Mann in einem Pausenraum, wo er saß, Kaffee trank und ein Brötchen aß. Eine Zeitung lag neben ihm, aus der rechten Kitteltasche schaute ein Handy hervor.
    Wir klopften an. Der Arzt drehte den Kopf, kaute und winkte mit einer Hand. Dann schluckte er und sagte: »Kommen Sie ruhig näher, ich beiße nicht, meine Herren.«
    »Das glauben wir Ihnen gern«, sagte Harry.
    Zwei Stühle fanden wir auch. Dr. Klinger war ein Mann in den Vierzigern, dessen Haare lockig auf dem Kopf wuchsen. Unter seiner breiten Stirn »leuchteten« die buschigen Brauen. Den schmalen Mund verzog er zu einem Lächeln, als wir auf den beiden Stühlen unsere Plätze gefunden hatten.
    »Sie kommen wegen dieser Gisela Behle.«
    »Stimmt, Dr. Klinger.«
    »Sind Sie Polizist?«
    Harry wiegte den Kopf. »So ähnlich. Sagen wir so: Ich arbeite für die Regierung.«
    »Aha. Und Ihr Begleiter?«
    »Ebenfalls«, erklärte ich. »Nur nicht für die deutsche. Ich bin Brite, Herr Dr. Klinger.«
    »Ja, das höre ich. Da scheint der Fall wohl international zu sein.«
    »Was können Sie uns über die Person sagen, ohne Ihre ärztliche Schweigepflicht zu verletzen? Wir müssen davon ausgehen, daß sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
    Dr. Klinger betrachtete für einen Moment seine kräftigen Finger. »Einem Verbrechen?« murmelte er und wiegte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Auf meinen Eid nehmen würde ich es
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