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0958 - Der Keller

0958 - Der Keller

Titel: 0958 - Der Keller
Autoren: Jason Dark
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ein kleines Radio. Es wurde von einer Batterie gespeist, dieses Gerät war ihre einzige Verbindung zu der normalen Welt.
    Gisela verspürte Hunger. Sie hielt sich immer am Rand der Straße. Sie ging gebückt, sie fluchte über den Ostwind. Die Kapuze des Parka hatte sie über den Kopf gezogen. Der Rucksack klebte wie eine schwere Last auf ihrem Rücken, die Beine wurden schon jetzt schwer, aber Gisela biß die Zähne zusammen.
    Sie schaffte es, sie hatte es immer geschafft.
    Die Stadt tauchte auf. Erste Vororte. Grau und abweisend. Menschen, die froren, und selbst die Märzsonne konnte die Landschaft kaum verschönern. Giselas Hunger wurde schlimmer. Sie hatte noch nichts gegessen, aber der Magen brauchte etwas.
    Autos fuhren an ihr vorbei. Menschen schauten sie oft widerwillig an.
    Kinder lachten. Sie kam zu einem Platz, der neu angelegt worden war.
    Geschäfte umgaben ihn. Einige Marktbuden standen dort ebenfalls. Es wurde vieles verkauft, es lag vieles in den Auslagen, und Gisela Behle leckte über ihre rissigen Lippen.
    Sie strich durch die Gassen zwischen den Ständen, nahm die Gerüche auf, und der Hunger wühlte weiter in ihrem Bauch. Unter einer Säulenarkade versteckt und eingeklemmt zwischen einer Apotheke und einer Boutique befand sich eine Bäckerei. Es wurde auch draußen verkauft. Die Verkäuferin war ein junges Mädchen, das ziemlich verfroren aussah, trotz des dicken Pullovers unter dem hellen Kittel.
    Brötchen, Berliner Ballen, Hefeteilchen, sie waren frisch gebacken und lockten. Aber auch Baguettes mit Wurst, Käse und Schinken. Die junge Verkäuferin beobachtete Gisela Behle genau, als diese sich dem Stand näherte. Sie ahnte schon, was die Frau vorhatte. Plötzlich begegneten sich ihre Blicke. Es war der berühmte Moment, das wußte Gisela.
    Entweder schaute die Verkäuferin weg, oder sie fing an zu toben, weil sie ahnte, was die seltsame »Kundin« vorhatte.
    Nichts davon trat ein.
    Jemand rief mit lauter und schriller Stimme nach der jungen Verkäuferin, die sich umdrehte und im Laden verschwand.
    Gisela Behle lachte nicht mal, sagte nichts. Sie war plötzlich konzentriert und raffte einige Baguettes zusammen. Wie einen kostbaren Schatz preßte sie die Beute an sich und lief weg. Sie befand sich plötzlich in ihrer eigenen Welt. Die normale war nicht mehr vorhanden. Es gab nur die neue, die ihr vorkam wie ein Kanal, durch den sie jetzt eilte. Sie rannte, hielt die Beute fest, und wartete auf die Schreie und Rufe, auf die wütenden Stimmen der Verfolger, die diesmal ausblieben.
    Zweimal rempelte sie Frauen an. Sie hörte das Schimpfen, dann hatte sie es geschafft, in eine Nebenstraße einzutauchen.
    Sie rannte über das Pflaster. Ein Tor stand weit offen. Gisela huschte hinein in einen Hinterhof, wo Baugeräte standen und auch eine kleine Hütte, in der sich die Bauarbeiter normalerweise aufhielten.
    Nicht an diesem Tag. Es wurde nicht gearbeitet. Es lag soviel brach. Für Gisela war es günstig. Sie versteckte sich in der Hütte und war froh, sich endlich setzen zu können.
    Drei Baguettes hatte sie raffen können. Zwei packte sie in ihren Rucksack, das dritte Baguette aß sie langsam und genußvoll. Sie träumte von einem Schluck Kaffee, aber das würde vorerst ein Traum bleiben.
    Wichtig war die nächste Nacht, die Bleibe, denn die Temperaturen würden wieder sacken.
    Der Schlund war nicht mehr weit entfernt.
    Sie würde ihn am Nachmittag erreichen, wenn nichts dazwischenkam…
    ***
    Die Geräusche hörten sich an, als wären Knochen durch eine Mühle gedreht worden. Furchtbar. Knirschend und brechend, und weitere Laute, die kaum zu definieren waren.
    Oder war Holz zerbrochen worden?
    Niemand konnte eine Antwort geben. Es hätte auch niemand herausfinden können, wo dieses Geräusch entstand. In der Tiefe, das schon, aber die erschien unauslotbar zu sein, vielleicht sogar unendlich. Sie gehörte zu diesem Haus wie die dicken Mauern, die hohen Gänge, die breiten Flure, die Eingänge, die Säulen an der Vorderfront und die hohen Fenster.
    In der Tiefe war es dunkel, und das Geräusch bahnte sich aus der Dunkelheit kommend seinen Weg nach oben, wo es sich in den weiten Fluren und Treppenhäusern verlief.
    Kein Krachen mehr, kein Schreien, dafür eine bedrückende Stille. Man kann die Stille lieben, wenn sie zur Natur gehört. Man kann sie genießen, aber man kann sie auch hassen.
    In diesem Haus lauerte eine Stille, die anders war. Die man nur hassen konnte, denn sie verbarg etwas.
    Den
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