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0954 - Die Stunde des Pfählers

0954 - Die Stunde des Pfählers

Titel: 0954 - Die Stunde des Pfählers
Autoren: Jason Dark
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versuchen.«
    »Vertraust du deinem Pfahl nicht mehr?«
    »Ja, schon, aber etwas ist anders. Ich kann mir vorstellen, daß…«
    Ein schauriger Heulton riß Marek die nächsten Worte von den Lippen. Wir nahmen ihn als das Ende hin. Wir sahen auch, wie die Bestie stolperte und dann auf eine Mauer zuschritt. Und dann sprang sie.
    Es war ein weiter, ein schneller, ein wahnsinniger Sprung, der uns alle überraschte. Es sah so aus, als wollte sich der Vampirwolf gegen die Wand werfen, um sich selbst die vielleicht morsch gewordenen Knochen zu brechen.
    Nur prallte dieser massige Körper nicht gegen die Wand, sondern verschwand. Genau an der Stelle hatte sich eine Lücke befunden, ein großes Loch.
    Er war weg!
    Wir sahen ihn nicht, aber wir hörten ihn, und sein Geheul hinterließ auf unseren Körpern eisige Schauer. Es war das Triumphgeheul des Siegers, eines Wesens, das dem Tod entwischt war und dabei alle Regeln über Bord geworden hatte.
    Wir schauten uns an.
    »Das ist nicht möglich!« keuchte Suko.
    Marek fluchte. Er hob seinen Pfahl auf, sah das Blut daran und reinigte die Waffe im Schnee.
    »Doch, Suko, er ist weg!« Ich setzte mich in Bewegung. Ich ärgerte mich, daß ich nicht mit dem Kreuz eingegriffen hatte. Suko erging es bestimmt ebenso.
    Ja, der Fluchtweg war gut gewählt. Ich stand in der Lücke, sah die anderen Mauern, die hoch genug wuchsen, um ihm Deckung zu geben. Er hatte das Weite gesucht. Er würde sich verstecken können, und wir hatten das Nachsehen.
    Wie mächtig mußte diese Gestalt sein!
    Morgana Layton und Assunga hatten uns nicht grundlos gewarnt. Wahrscheinlich wären selbst sie nicht mit ihm zurechtgekommen, mit einem, der Seinen eigenen Weg ging.
    Suko stand hinter mir und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Es hat keinen Sinn. Komm!«
    Ich drehte mich um. »Wohin denn?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    Frantisek Marek kam kopfschüttelnd auf uns zu. Er sah müde aus, kein Wunder bei dem, was er körperlich und auch seelisch durchlitten hatte. »Jetzt bin ich so alt geworden, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.« Er schüttelte den Kopf. »Glaubt ihr, daß er geflohen ist, oder rechnet ihr mit seiner Rückkehr?«
    »Er kommt zurück!« erklärte ich. »Er wird bestimmt zurückkehren, denn etwas steht bei ihm an erster Stelle. Die Gier nach dem Blut seiner Feinde.«
    »Und die Rache«, sagte Suko.
    »Ja, das kommt noch hinzu…«
    ***
    Wir hatten die Umgebung der Ruine verlassen und standen nun im Schatten der Lok. Von den vier Geflohenen war nichts mehr zu sehen, aber ihre Spuren zeichneten sich noch im Schnee ab, und sie führten auf den weiter entfernten Wald zu. Wir glaubten nicht, daß die Männer so rasch wieder zurückkehren würden. Sie hatten die Nase voll, denn dieses Erlebnis würde sie prägen.
    Auch gaben uns die lückenhaften Mauern der Ruine kaum Schutz. Zu leicht hätte sich jemand anschleichen können, und das genau wollten wir nicht.
    Noch immer rätselten wir herum, wie es die Bestie geschafft hatte, zu überleben. Zwar war für den guten Marek keine Welt zusammengebrochen, er zweifelte jedoch an sich selbst und an seiner Aufgabe. »Ihr wißt selbst, wie sehr ich auf den Pfahl vertraut habe. Und ihr wißt auch, daß er mich nicht im Stich gelassen hat, aber was in dieser Nacht geschehen ist, das kann ich nicht mehr begreifen. Das geht nicht mehr in meinen Kopf. Er weigert sich, dies wahrzunehmen. Ich - ich komme damit nicht zurecht.«
    »Stimmt, das ist schwer.«
    »Mehr sagst du nicht, John? Ist denn die Welt völlig auf den Kopf gestellt worden? Ich befinde mich in höchster Lebensgefahr, ihr erscheint wie zwei Retter vom Himmel, ich lebe, ich bekomme die Chance, das Böse zu vernichten, und du…«
    »Laß es, Frantisek, laß es. Wenn du dir den Kopf zerbrichst, reißt du dich womöglich selbst noch in einen Strudel hinein, aus dem du dich kaum befreien kannst.«
    »Irgendwo ist mir das sogar egal«, murmelte er. Er machte einen deprimierten Eindruck beinahe, wie damals, als ich seine Frau hatte töten müssen, weil sie zu einem weiblichen Vampir geworden war. Auch da war für Frantisek eine Welt zusammengebrochen, aber er hatte sich wieder gefangen, und ich war sicher, daß er sich auch diesmal fangen würde.
    »Warum? Warum…?«
    Diese Frage hatten wir uns gestellt und fanden darauf keine Antwort.
    Er hatte überlebt. Er würde zu Kräften kommen und es noch einmal versuchen. Wir glaubten nicht daran, daß sich der Vampirwolf sehr weit entfernt hatte,
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