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0950 - Visionen des Untergangs

0950 - Visionen des Untergangs

Titel: 0950 - Visionen des Untergangs
Autoren: Christian Schwarz
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Laurent Bonnart aus sicherer Entfernung zufrieden feststellte. Sofort verblasste sein Abbild, wurde durchscheinend und verschwand. Stygias Ebenbild erging es ebenso.
    Laurent Bonnarts Seele wollte nur noch von diesem grauenhaften Hort flüchten, am besten nach oben.
    Ich will weg hier!
    Das Inferno der Seelenhalde verschwand. Übergangslos schwebte Bonnarts Seele in einem grünlichen, geheimnisvoll leuchtenden Himmel, der sich über schwarze, schroffe Berge spannte. Überall schienen Steine zu rollen, auf Plateaus und in Steilwänden, das ganze Gebirge machte den Eindruck, in ständiger Bewegung zu sein. Als Bonnart, der sich leicht und frei fühlte, mit einem Gedankenbefehl nach unten sank, machte er den wahren Grund der Bewegung aus: riesige, schwarze, hässliche Spinnen in allen Formen und Größen! Es schien Millionen von ihnen hier zu geben, sie krabbelten so dicht über- und durcheinander, dass sie riesige Teppiche zu bilden schienen. Bonnart, der nun das Gefühl des Verbrennens nicht mehr spürte, glaubte blank genagte Menschenknochen zu sehen, wenn sich der Spinnenteppich an einer Stelle mal kurz öffnete - und einmal ein panisch verzerrtes Menschengesicht mit aufgerissenem Mund hinter einem kunstvoll gewebten Vorhang weißer Fäden. Es grauste ihm.
    Plötzlich schoss etwas Schwarzes heran - und schloss ihn ein. Er erkannte ein engmaschiges Netz! Laurent Bonnart brüllte. Er glaubte im ersten Moment, eine der Spinnen habe es auf ihn abgesehen und versuchte, durch die Maschen zu flüchten. Vergeblich. Erst jetzt bemerkte er seinen Irrtum. Stygia hing hinter ihm in der Luft. Das Netz hatte sich aus ihrer Handfläche gebildet, denn dort war es noch immer verankert.
    Panik überflutete die aufsässige Seele. So schnell war sie also weg, die neu gewonnene Freiheit. Oder? Nicht weit von ihm entfernt entstand Laurent Bonnart in der Luft. Er fiel strampelnd nach unten und verschwand zwischen den schwarzen Spinnen. Sie blieben völlig ruhig, nicht das kleinste Gewimmel entstand. Gleichzeitig wünschte sich Bonnart weg von hier. Und verblieb doch im Netz. Die Enttäuschung, die sich in ihm breitmachte, war fast schlimmer als das Brennen seiner Seele.
    »Das klappt nur einmal, Bonnart«, kreischte Stygia und zog ihn bis dicht vor ihr Gesicht. Riesengroß kam es ihm vor, so, als schwebe er in Fliegengröße vor einem Menschen. Der Blick aus den rötlich glosenden Augen schien ihn bis auf den Grund seiner Seele zu sezieren…
    Was für ein blöder Vergleich.
    ... und machte ihm erneut Angst. Er zappelte. Vier Laurent Bonnarts entstanden gleichzeitig um ihn her.
    »Interessante Fähigkeit«, murmelte Stygia und es klang wie Donnergrollen in Bonnarts nicht existenten Ohren. »Du kannst lebensechte Abbilder deiner selbst, aber auch anderer Personen schaffen, du scheinst starke mediale Kräfte zu haben. Hm. Das mit den Abbildern kannst du noch nicht bewusst steuern, wie mir scheint. Sie entstehen lediglich aus deiner Angst heraus. Möglicherweise kannst du, wenn du das einst steuern kannst…« Stygia unterbrach sich einen Moment. »Deine mediale Kraft ist tatsächlich groß, ich spüre sie«, fuhr sie plötzlich fort. »Zu einem kleinen Teil scheinst du sie ja bereits gezielt einsetzen zu können, sonst wäre dir die Flucht von der Seelenhalde nicht gelungen. Natürlich war es eine Kleinigkeit für mich, dich wieder zu finden. Teleportation, hm, hm. Noch bin ich nicht so stark, wie ich gerne wäre, aber ich arbeite daran. Weißt du, Laurent, ich will aufsteigen in der Hierarchie der Schwefelklüfte, ich will einst die absolute Macht haben, verstehst du? Dazu brauche ich aber Verbündete und verlässliche Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten. Du scheinst mir so einer zu sein.«
    Stygia bot Laurent Bonnarts Seele einen Deal an. Sie musste vorerst nicht auf die Seelenhalde zurück. Stattdessen sperrte die Teufelin sie in ihrer Wohnhöhle ein. Wie ein Besessener übte Bonnart, die verschiedensten Projektionen bewusst entstehen zu lassen. Als er es problemlos schaffte, nickte Stygia.
    »Gut so. Ich bin zufrieden. Wir werden nun einen Blutpakt schließen, Bonnart. Du wirst dich dazu verpflichten, mir stets treu zu dienen und die Hölle niemals zu verlassen. Im Gegenzug erhöhe ich dich zu einem Irrwisch, denn das ist mir gestattet. Irrwische sind zwar die verachtenswertesten, niedrigsten Wesen unter den Dämonischen, aber sie können sich frei und ohne Pein in der Hölle bewegen, was menschlichen Seelen völlig unmöglich ist.
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