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0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

Titel: 0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach
Autoren: Jason Dark
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alte Geschichte. Das jedenfalls habe ich immer gehört, obwohl ich seine Vorlesungen nie besucht habe. Aber wir lebten als Ehepaar nicht hier, sondern in einem Haus. Eigentlich hatten wir dort keine Möbel gebraucht. Mein Mann war ein Bücherwurm. Ich weiß nicht, wie viele Bücher uns damals umgeben haben, aber zweitausend waren es sicherlich. Er war immer der Meinung, daß es zu einem Privatgelehrten gehörte, sich so mit Literatur einzudecken. Ich habe auch nichts darüber gesagt und ihn gelassen. Nur lebten wir aneinander vorbei.«
    Ich hob die Schultern. »Das hört sich ziemlich normal an.«
    »Normal?« Sie mußte lachen und bewegte dabei ihren gesamten Körper. »Ich kann nicht sagen, ob das normal ist. Es kam mir nicht so vor, denn ich brauche die Ansprache, ich muß mit einem Menschen reden und kann mich nicht vergraben.«
    »Das verstehe ich. Aber ich möchte noch einmal auf Ihren geschiedenen Mann zurückkommen. Ist er nur seinem Beruf nachgegangen, oder hat er sich auch mit einem Hobby beschäftigt?«
    Ellen schaute in ihr Glas, als könnte sie dort die Antwort ablesen.
    Schließlich stimmte sie mir zu. »Das allerdings, Mr. Sinclair. Er hatte ein Hobby.«
    »Welches?«
    »Lachen Sie mich jetzt aus, wenn ich Ihnen darüber keine konkrete Auskunft geben kann.«
    »Nein, ich werde mich hüten. Mußte er sein Hobby denn vor der Öffentlichkeit verstecken?«
    Sie nickte mir zweimal zu. »Beinahe kommt es mir so vor. Er hat es verstecken müssen, denn er redete mit mir nicht darüber. Es ist irgendein Club gewesen, dem er sich angeschlossen hat.«
    »Ein Geheimclub?«
    »Darauf läuft es wohl hinaus«, murmelte sie. »Kein Männerclub, wie man ihn normalerweise kennt, wo sich die Leute ein- oder zweimal in der Woche treffen und ihr Bier trinken. Dieser Club war anders. Er war«, sie lachte jetzt auf, »tatsächlich geheim.«
    »Sie kennen den Namen auch nicht?«
    »So ist es.«
    »Keine Spuren?«
    »Das ist schwer. Hin und wieder mal eine flüchtige Bemerkung, das war auch alles.«
    »Die Bemerkung würde mich interessieren. Haben Sie die eine oder andere noch behalten?«
    »Er hat mal gesagt, daß er in den Tempel gehen will.«
    Ich horchte auf. »Haben Sie wirklich das Wort Tempel gehört?«
    »Das kann ich beschwören.«
    »Und was haben Sie sich dabei gedacht, als sie es erfuhren? Haben Sie es geglaubt?«
    »Nein oder ja? Ich – ich kam damit nicht zurecht, denn eine Kirche kann er nicht gemeint haben.«
    »Warum nicht?«
    »Mein Mann war nicht gläubig im christlichen Sinne. Er stand keiner der beiden großen Kirchen nahe. Der Tempel war also keine kirchliche Begegnungsstätte.«
    »Okay, das habe ich akzeptiert, Mrs. Bates. Könnten Sie sich denn vorstellen, was er gemeint hat?«
    »Nein«, erwiderte sie beinahe gequält, »das ist es ja.«
    »Und Sie haben Tempel verstanden?«
    »Klar, was sollte ich denn gehört haben?«
    Ich lächelte etwas kantig. »Vielleicht auch den Begriff Templer, Mrs. Bates?«
    Sie machte ein erstauntes Gesicht. »Nein«, sagte sie dann leise, »nein, das habe ich schon richtig verstanden. Er hat Tempel gesagt, nicht Templer. Auch wenn der Unterschied nicht groß ist, ich hätte ihn herausgehört.«
    »Ja, das denke ich auch. Aber bleiben wir dabei. Sind Ihnen im Zusammenhang mit dem Begriff Tempel noch andere für Sie ungewöhnliche Begriffe aufgefallen, die Ihr Mann benutzte?«
    »Nein.«
    »Dann bleibt der Spiegel, den er möglicherweise aus dem Tempel geholt und seiner Tochter geschenkt hat. Ich sage das mal so, ohne die Wahrheit für mich gepachtet zu haben. Oder wissen Sie vielleicht jetzt mehr über die Herkunft?«
    »Nein, mir ist nichts mehr eingefallen. Mein Mann hat sich da sehr zurückgehalten. Ich kann mich nur gut daran erinnern, wie begeistert meine Tochter gewesen ist, und ich denke auch, daß sie schon vorher über das Abschiedsgeschenk ihres Vaters Bescheid gewußt hat. Ja, das weiß ich sogar.«
    »Hat Ihr Mann denn mal Kontakt mit seiner Tochter aufgenommen? Haben Sie ein Besuchsrecht vereinbart?«
    »Überhaupt nicht, Mr. Sinclair.«
    »Das ist in der Tat ungewöhnlich. Und Ihre Tochter hat nie darunter gelitten?«
    »Nein.« Ellen Bates überlegte. Sie strich nachdenklich über das Haar hinweg. »Jetzt, wo Sie es sagen, Mr. Sinclair, berührt mich das schon. Ich kann mich darüber wundern, denn Marion hat sehr an ihrem Vater gehangen, aber sie hat nie davon gesprochen, daß sie ihn sehen möchte. Wenn ich genauer darüber nachdenke, kam sie mir wie ein
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