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0945 - Zielort Kristallwelt

0945 - Zielort Kristallwelt

Titel: 0945 - Zielort Kristallwelt
Autoren: Susanne Picard
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richtete.
    »Was hast du mir zu sagen?«
    Sie verbeugte sich, bevor sie Meldung erstattete. Sie lernte schnell. Er wusste, was er ihr zu verdanken hatte, aber dass sie dennoch den nötigen Respekt vor ihm als Herrscher aufbrachte, gefiel ihm.
    »ERHABENER, ein Teil des neuen Mauerwerks steht«, sagte sie dann. »Es ist noch nicht entsprechend poliert, also werdet Ihr es noch im Rohbau sehen, aber die geplante Form ist bereits zu erkennen.«
    »Wurde es nach meinen Wünschen fertiggestellt?«
    Tan Morano fiel auf, dass Sinje-Li eine Millisekunde mit der Antwort zögerte. »Ja, ERHABENER.« Er nickte langsam. Ihm gefiel der Klang des Wortes: ERHABENER. Es hörte sich besser an als einfach nur Herr oder gar Tan Morano.
    »Und nun sag mir, was es für Probleme gibt.«
    Sinje-Lis Kopf ruckte nach oben. Damit hatte sie nicht gerechnet. Tan Morano gönnte ihr ein überlegenes Lächeln, doch er erklärte sich nicht. Das hatte er nicht mehr nötig. »Du solltest wissen, dass du vor mir nichts verbergen kannst. Nun?«
    Sinje-Li nickte langsam. »Der neue Baumeister und seine Arbeiter sind offenbar mit Euren Plänen nicht einverstanden, ERHABENER.« Tan Morano spürte, dass es ihr nicht gefiel, das zuzugeben. Er fragte sich, warum das so war. Wurde seine hartgesottene und abgebrühte Söldnerin etwa weich? Oder hatte sie Angst, er glaube, sie habe die Aufgaben, die er ihr übertragen hatte, nicht im Griff?
    Nun, das war letztendlich egal. Der Palast nahm die Form an, die er wünschte, das war erst einmal alles, was eine Rolle spielte. Aber dennoch, niemand sollte auf die Idee kommen, es ergebe Sinn, sich ihm und seinen Wünschen zu widersetzen.
    Hier würde er wohl noch einmal nachhelfen müssen. Er würde dem neuen Baumeister und seinen Arbeitern schon zeigen, wie er sich den neuen Kristallpalast vorstellte. Er atmete noch einmal die milde Nachtluft ein, sah über die unter ihm funkelnde Stadt, die unter dem mondlosen Himmel selbst wie ein brillant geschliffener Dhyarra-Kristall wirkte, und winkte Sinje-Li dann, ihm zu folgen.
    Als sie durch die endlosen Gänge des Palastes gingen, musste der ERHABENE sich nicht umdrehen, um zu wissen, wie beeindruckt Sinje-Li war, auch wenn sie schon erlebt hatte, zu welcher Schöpferkraft er fähig war. Denn überall in den Gängen, den Fluren und den unzähligen Zimmerfluchten wurde gehämmert, gepinselt, neu ausgestattet. Fresken in altrömischem Stil wurden an die Wände gemalt, der Boden mit kunstvollen Mosaiken belegt, Parkett aus den edelsten Hölzern der Urwälder von Tanos VI gelegt, Stuck an die Decken montiert. Obwohl erst seit einer Woche gearbeitet wurde, die Pracht, in der der Palast in kürzester Zeit erstrahlen würde, war bereits zu erahnen und verschlug sogar einer Söldnerin wie Sinje-Li den Atem.
    Und alles geschah auf seinen Befehl, nach seinen Wünschen und auch seinen Entwürfen. Tan Morano hatte von Anfang an neuen Wind in diesen muffigen Gemäuern wehen lassen wollen und er hatte sofort damit angefangen.
    Tan Morano hätte alles an einem einzigen Tag selbst umgestalten können, doch er wollte, dass sich der neue Wind, den einzuführen er beabsichtigte, in den Köpfen festsetzte. Je schneller er einen völlig neuen Kristallpalast schuf, von innen wie von außen, desto flüchtiger wäre der Eindruck. Es würde zu leicht wirken. Was man so schnell schuf, war in den Augen der Ewigen sicher nur wenig mehr als eine Illusion. Er wollte, dass jeder sah, was zu leisten er imstande war. Nichts brachte ihn davon ab, hier eine wahrhaft ewige Herrschaft zu errichten. Und auch, wenn die Bevölkerung ihn noch nicht akzeptierte - sie würde es tun. Und sie selbst würden Arbeit und Mühe hineinstecken. Sie würden sich überlegen, ein zweites Mal ein Attentat auf ihn auszuüben, das diesen Palast zerstörte. Einen Palast, der einem wahrhaft ewigen Herrscher zukam.
    Als Sinje-Li und er in den Flügel kamen, der nach der Explosion neu aufgebaut werden sollte, nahm der Glanz und der Luxus immer weiter ab. Wieder waren die Wände grau und schmucklos wie früher, auch wenn sie größtenteils wiederhergestellt waren. Tan Morano sah sich verächtlich um. Die Arbeiter, die bemerkt hatten, dass der neue ERHABENE den Fortschritt der Arbeiten besichtigen wollte, hatten sich verneigt, sodass man ihre Gesichter nicht mehr sehen konnte. Tan Morano schwebte langsam das Baugerüst empor, während Sinje-Li ihm folgte. Schließlich standen beide vor dem Architekten. Der Mann verneigte sich respektvoll
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