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0932 - Grausame Zeit

0932 - Grausame Zeit

Titel: 0932 - Grausame Zeit
Autoren: Jason Dark
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hob die Frau den Kopf. Sie war zwar nicht richtig klar im Hirn, aber sie merkte schon, daß sich in ihrer Nähe etwas verändert hatte.
    Nur sah sie nichts.
    Die Küche war dieselbe geblieben, nichts hatte sich verändert. Es war niemand durch die Tür gekommen, und es stand auch keiner im Flur, wie sie mit einem Blick über die Schulter feststellte.
    Und doch war sie nicht allein. Etwas Unheimliches umgab sie, und sie merkte es daran, daß sie etwas wie ein Hauch spürte, der sacht über ihren Kopf hinwegstrich, die Haare leicht berührte und es schaffte, sie in die Höhe zu stellen.
    Die Gänsehaut war ebenfalls vorhanden. Sie kroch an Helgas Rücken hinab und klammerte sich an ihr wie eine Eisbahn fest.
    »Sei vernünftig, Helga, sei vernünftig…«
    Die Frau glaubte, verrückt geworden zu sein. Oder sich auf dem Weg ins Delirium zu befinden, denn sie hörte eine Stimme, obwohl sich niemand in der Küche aufhielt. Trotzdem hatte ihr jemand geraten, vernünftig zu sein, und darüber kam sie nicht hinweg. Wer denn?
    »Wo bist du?« sprach sie ins Leere hinein. »Verdammt noch mal, wo hast du dich versteckt?«
    »Ich bin in deiner Nähe.«
    »Ich sehe dich nicht.«
    Der unheimliche Sprecher ging nicht auf die Bemerkung ein. Helga Stolze saß nach wie vor auf dem Stuhl, nun aber drehte sie sich auf der Sitzfläche, weil sie alle Teile der Küche absuchen wollte. Noch in der Bewegung spürte sie den Hauch, der, kaum daß er sie gestreift hatte, sich in eine Stimme verwandelt. »Liebst du deine Kinder, Helga? Liebst du deine Kinder?«
    »Ja, ja. Was soll das?«
    »Liebst du sie wirklich?«
    »Ich mag sie.«
    »Dann mußt du sie retten, Helga. Du mußt dich beeilen, wenn du deine Kinder retten willst.«
    Helga Stolze kam nicht mehr mit. Möglicherweise lag es auch am Alkohol, daß die Realitäten so verschwammen. Sie brachte alles durcheinander. Sie stöhnte, sie wühlte mit den Fingern durch die Haare.
    Ihr war schlecht, und zugleich suchte sie noch immer den geheimnisvollen Sprecher oder die Sprecherin.
    Beide waren nicht zu sehen.
    »Wer bist du denn?« keuchte sie schließlich. »Himmel, ich - ich sehe dich nicht. Wer und wo bist du?«
    »Bei dir.«
    »Ja und…?«
    »Deine Kinder, Helga«, wisperte es aus dem Unsichtbaren. »Deine beiden Kinder, Jens und Silvia, befinden sich in großer Gefahr. Der Tod ist unterwegs, der Tod auf zwei Beinen will sie holen. Er will sie auf dem Altar des Bösen opfern. Du mußt etwas tun, du mußt deine Kinder retten, Helga, denn du bist die Mutter!«
    »Aber sie sind noch - ich meine, ich weiß nicht, ob sie noch in der Schule sind. Sie wollten auf die Kirmes…«
    »Eben.«
    »Aber du weißt alles!« rief sie. »Warum rettest du sie nicht?«
    »Ich kann es noch nicht. Ich muß die Dunkelheit abwarten und auch den Mond. Noch kann ich es nicht, ich bin einfach zu sehr gefangen, verstehst du das?«
    »Nein, nein…«
    »Rette deine Kinder. Die Gegenwelt soll ihr Blut nicht bekommen. Rette sie, Helga, rette sie - rette sie…« Die Stimme wurde immer leiser, war dann gar nicht mehr zu hören. Und die Stille lastete zwischen den vier Wänden.
    Helga Stolze aber saß am Küchentisch und starrte ins Leere. Sie hatte zuviel getrunken, sie war aber nicht betrunken, sondern nur angetrunken. Allmählich lichtete sich der Nebel in ihrem Gehirn, und sie begann wieder nachzudenken.
    Etwas war geschehen. Sie hatte eine Stimme gehört, und sie hatte sich diese Stimme nicht eingebildet.
    Rette deine Kinder. Rette deine Kinder…
    Sehr deutlich schwangen die Worte noch durch ihr Gedächtnis, und sie wußte, daß die grausame Zeit für sie und auch für Jens und Silvia erst begonnen hatte…
    ENDE des ersten Teils
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